Freitag, 27. Dezember 2013

Restaurierung, was ist das und wieso?

Es erscheint geradezu inflationär: das Wort Restaurierung. In Kleinanzeigen, im Internet, in den einschlägigen Zeitschriften und beim Mithören unzähliger Gespräche auf Messen und Teilemärkten. "So einen hab ich mal restauriert..." Was sich hinter diesem unscheinbaren Wörtchen verbirgt, füllt ganze Bücherregale. Für jeden hat es obendrein eine andere Bedeutung. Offensichtlich eine komplizierte Sache also.

Nicht zu verwechseln ist die Restaurierung mit der Restauration. Wird dieses Wort im Zusammenhang mit einem wiederhergestellten Objekt (gleich welcher Art) benutzt, stehen mir die Haare zu Berge: Eine Restauration – die älteren unter uns werden sich noch erinnern – ist nichts anderes als eine Gaststätte (auch Restaurant) genannt, in der man "sich selbst wiederherstellt", also körperlich. Würde man in einer archäologischen Publikation "Restauration" verwenden, bekäme man sofort eins auf den Deckel.

Eine alte Restauration


Nun gut. Restaurierung. Kommt aus dem lateinischen restaurare, was da bedeutet wiederherstellen. Soweit so klar. Etwas zerstörtes, lädiertes, unkomplettes wird also bei einer Restaurierung wiederhergestellt. Das ergibt Sinn. Zunächst.

Die Frage, die man sich nun stellen sollte wäre, was denn nun wiederhergestellt werden soll? Welcher Zustand soll letzten Endes wiederhergestellt werden? Wie arbeiten professionelle Restauratoren im Bereich Architektur, Gemälde, Möbel, archäologische Objekte? Können wir von Ihnen etwas lernen, auch wenn bei uns letzten Endes etwas ganz anderes zählt, nämlich die Weiterbenutzung bzw. Fahrtauglichkeit.

Weitere Begriffe, die im Bereich rund um den Umgang mit altem Blech leider sehr wenig verwendet werden:

- Konservierung
- Reparatur
- Renovierung
- Rekonstruktion

Jede Gute Restaurierung beeinhaltet im Prinzip diese vier oben genannten Handlungen. Es muss also von Fall zu Fall abgewogen werden, wie man bei welchen Bauteilen vorgeht. Das hängt natürlich zum großen Teil vom Restaurator/ Besitzer, seiner Philosophie, seinem Können und seiner Brieftasche ab.

Doch kommen wir zur eigenlichen Wiederherstellung/ Restaurierung zurück. Ein oftmals angestrebter Zustand ist der Zustand als Neuwagen, bzw. besser als neu Zustand. Man will also die Uhr des Fahrzeugs zurückdrehen und es als Neuwagen wiederherstellen. Kein leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass ein Fahrzeug in erster Linie ein Gebrauchsgegenstand ist, der also folglich gebraucht, verändert, am Leben erhalten und letzen Endes verbraucht wird. Je mehr, desto länger seine Nutzungsdauer ist.

Doch wie ehrlich ist ein wiederhergestellter Neuzustand? Ist er historisch wertvoll, oder nur eine Art Egobefriedigung seines Besitzers?

Ich behaupte hier einfach mal, das sich ein Neuzustand so gut wie nicht herstellen lässt. Man kommt vielleicht nahe dran, wenn man viel Geld in die Hand nimmt und sich jahrelang in die Materie eingelesen hat. Und, ganz wichtig: wenn man so viele gut erhaltene, am besten kaum benutze Autos des gleichen Typs gesehen, studiert und dokumentiert hat.

Der wie-neu-Zustand kann angestrebt werden, doch wird er nicht erreicht. Und wenn, dann wird das Auto kaum gefahren werden. Es ist immer nur ein scheinbarer Neuzustand, denn das Fahrzeug, wie es vom Band lief, existiert nur einmal. In einer guten Restaurierung müssten theoretisch alle Schrauben, die verbaut sind in der gleichen Position wieder verbaut werden, am exakt gleichen Platz. Alle Unzulänglichkeiten des Auslieferungszustandes (und das sind eine Menge) müssten exakt so wieder hergestellt werden. Es müssten die selben Reifen wie bei der Auslieferung montiert werden, natürlich aus dem gleichen Produktionszeitraum, der gleiche Lack, nicht nur der Farbton, aber auch die Aufbringung, die Zusammensetzung... Versteht ihr auf was ich hinaus will?

Sicher diesen Trend gibt es in den USA. Vergleichsweise normale Mittelklassewagen werden in dieser Art restauriert. Der Auslieferungszustand wird versucht so gut es geht zu imitieren, mit verblüffendem Ergebnis... Die Folge ist, dass es unverhältnismäßig teuer ist, sehr lange dauert (Teilesuche) und das Fahrzeug danach nicht gefahren wird, ja nur ungern gerollt oder bewegt wird, denn es könnte sich ja was am Zustand verändern.

Was sich hauptsächlich in den Kreisen der Besitzer alten Blechs abspielt, ist eine Methode des Restaurierens, wie sie auf erschreckende Art und Weise bis in die 50er Jahre an Gebäuden, Gegenstaänden etc. angewandt wurde. Das typische Beispiel: Man nehme eine romanische Kirche aus dem elften Jahrhundert. In der Gotik bekommt sie einen Anbau und einen neuen Turm. Im Barock bekommt sie ein neues Gestühl und einen neuen Boden. Im Rokoko wird ihr eine Orgel eingebaut und neue Fresken werden angebracht. Im Klassizismus wird vielleicht moch einmal etwas verändert... Nun kommt um die Jahrhundertwende (1900) der Historismus... Hier erkennen die Leute, das das ja eine im Grunde romanische Kirche aus dem Mittelalter ist. Was ganz seltenes und wertvolles. Leider völlig "verpfuscht" durch Umbauten aus den letzten 800 Jahren. Pfui Teufel.
Es muss der originale Zustand der Erbauungszeit wiederhergestellt werden! Also wird alles nach einem willkürlichen Zeitpunkt abgerissen und abgebaut, das Bauwerk geäubert und in seinen ursprünglichen Zustand wiederhergestellt. Leider fehlen Pläne und man weiß nicht, wie der romanische Eingang und die Malereien aussahen. Aber man kann es sich ja denken und nachbauen. So entsteht eine "rein" romanische Kirche, der nun ein Ehrenplatz in Disneyland zustehen würde.

Das ist im letzten Jahrhundert sehr oft geschehen. Mich stimmt es sehr nachdenklich. Was ist da wohl an unwiederbringlicher Bausubstanz für immer verloren gegangen und welche Geschichte(n) sind da für immer ausgelöscht worden!

Nun wird der ein oder Andere sagen, dass man doch ein altes Auto und eine romanische Kirche nicht miteinander vergleichen könne. Äpfel und Birnen. Ja, das stimmt. Ich gebe es zu. Aber es kann zum Denken anregen. Man kann ja schließlich aus Fehlern lernen und es besser machen, wenn man einmal die Fehler verstanden hat.

Ein Grundsatz moderner Restaurierungstechnik/ -philosophie ist, dass man keine Disneyfikation anstreben, also: keine historische Fälschung erschaffen soll. Alles soll so gut es geht dokumentiert werden, wird was ergänzt soll es kenntlich gemacht werden, alle Fragmente, die nicht mehr  zu verwenden sind, sollen aufgehoben werden und alles soll reversibel sein, sprich: alles nachträglich Angebaute sollte sich wieder entfernen lassen ohne große Spuren zu hinterlassen. Strukturelle Veränderungen müssen zulässig sein, wenn sie die originale Substanz schützen bzw. wiederherstellen.

Kommt das jemandem bekannt vor? Ja richtig, die Charta von Turin! Wer sie kennt, oder durchgelesen hat, wird einige Punkte wiedererkennen. Die Verfasser haben sich also Gedanken gemacht und sich bei den Ansätzen professioneller Restauratoren bedient. Zum Glück, es wurde Zeit.

Das Ziel wäre schon halb erreicht, wenn sich die Besitzer von rollendem Kulturgut mehr Gedanken machen, und sich in ihre Fahrzeuge "reindenken" würden. Die Überlegung sollte immer lauten, was kann ich tun, dass soviel originale Substanz wie möglich erhalten bleibt und welchen Zustand des Fahrzeugs möchte ich erreichen und warum. Wie schaffe ich es, ein authentisches Fahrzeug zu besitzen, das funktioniert und historisch wertvoll ist, ohne schäbig auszusehen? Antworten auf große Fragen wie diese muss letzten Endes jeder selbst finden. Doch wir Patinatoren helfen natürlich gerne beim Nachdenken ;-)

Donnerstag, 28. November 2013

Ein Deutz mit braunem Tucker, bitte!

Wenn sich in einem Pfälzer Dorf vier oder fünf Landmaschinen-Enthusiasten zusammenfinden, gründen sie erst mal einen Verein. Organisatorisch derart ausgestattet, besuchen sie dann an den Sommerwochenenden die verfreundeten Gemeinden im Umfeld ihrer Gemarkung; "Traktortreffen" nennen sich diese Fußballplatz-Volksfeste, und sind sich allesamt auffallend ähnlich: Ordentlich aufgereiht stehen die Maschinen zwischen Tor und Tor, als ob sie ihren aufwühlenden Charakter verschleiern müssten. 

Ich mag diese Treffen. Schon weil man auch mit einem Trabant 1.1 willkommen ist, und für die Teilnahme sogar noch ein Geschenk bekommt – aber das ist eine andere Geschichte. Ich mag sie vor allem deshalb, weil hochglänzende Glühkopf-Lanz unbedingt einen Gegenpol brauchen, der "Patina" heißt.

Wie sehr sich Landmaschinen-Patina aber von Pkw-Gebrauchsspuren unterscheiden kann (und darf), zeigt dieser Deutz F1 M414, den ich auf dem diesjährigen Treffen der Oldtimerfreunde Dannstadt-Schauernheim entdeckt habe: Technisch fit, optisch gründlich eingewachst.

Warum hätte man den Deutz auch lackieren sollen? Vom Sommerwind geformt und von der Sonne gezeichnet, hat er wahrscheinlich jahrzehntelang draußen geparkt und – ähem – geackert. Den Sitz umhüllt ein Kartoffelsack, damit sich Bauer Alois beim Umhertuckern nicht den Allerwertesten versengt: Die Pfälzer Sonne schien schon immer wärmer vom Himmel als ihre Kollegin in der Lüneburger Heide. 








Samstag, 19. Oktober 2013

Auf Achse nach Amiens!

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Die deutsche Vorkriegsszene hat ein Nachwuchsproblem. Warum? Nun, vielleicht, weil uns grau bekittelte Opis über Jahrzehnte eingetrichtert haben, dass Autos mit frei stehenden Kotflügeln glänzen müssen wie Uschi Glas, und sowieso zum Fahren zu schade sind.

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Die Vintage- und Cyclecar-Szene gibt sich da erfreulich schmerzfrei: Substanz zu konservieren ist hier Bestandteil der Gesamtphilosophie, und selbst restaurierte Fahrzeuge werden nicht ständig blank geputzt – schließlich wollen die Herrschaften ja möglichst viel und weit fahren.

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Auf Achse zu Treffen zum Beispiel. Das dauert zwar mitunter mehrere Tage, scheint aber enorm Spaß zu machen: Stefan Marjoram hat seinen Road Trip zum hundertjährigen Jubiläum des Grand Prix von Amiens in Bild und Film dokumentiert – zieht's euch rein!


Freitag, 18. Oktober 2013

Wertevernichten leicht gemacht: Das Beispiel 300 SL

Bild: Hemmings
Dass eine Testfahrt mit einem 300 SL im Straßengraben endete und 650.000 Euro Sachschaden verursachte, rang mir vor einigen Monaten nur ein müdes Schulterzucken ab. Bin ich etwa zu herzlos? Zu abgebrüht? Gar ignorant? Vielleicht von allem ein bisschen.

Besonders da ich weiß, in welchem Ausmaß die 300 SL-Klientel ganz selbstverständlich Werte vernichtet. Durch "Restaurierungen" nämlich. Paradebeispiel: Einer von 29 Leichtbau-SL, von dem der Hemmings Blog erzählt.


Resurrection - Car Arrives at the Shop from Rudi & Company on Vimeo.

Der Erstbesitzer hatte den Wagen 1955 von seinen Eltern zum College-Abschluss geschenkt bekommen und fuhr ihn bis in die 70er Jahre. Dann scheiterte eine Reparatur am Antriebsstrang – und der SL blieb 40 Jahre lang in der Garage stehen. Außenrum sammelte sich Krempel an, Staub legte sich auf dem dunkelblauen Lack nieder.


Resurrection - Day 4 of Restoration from Rudi & Company on Vimeo.

Über verschiedene vermittelnde Instanzen gelangte der Wagen in die Fänge seines neuen Besitzers, der in Santa Monica zu Hause sein soll. Sicher wohlhabend, der Mann. Oder jedenfalls wohlhabend genug, um die sichtbare Geschichte des Wagens von einer Restaurierungsfirma komplett auslöschen zu lassen. Der schrittweise Niedergang ist in mehreren Videos gut dokumentiert. Wobei ich zugeben muss, dass ich das Trauerspiel nicht bis zum Schluss verkraftet habe...

Noch erzielen Hochglanz-SL Höchstpreise. Aber auch der Flügeltürer wird bald dem Trend zur Patina folgen müssen. Ob der Herr aus Santa Monica nicht nur wohlhabend, sondern auch langmütig genug sein wird, sich dann nicht zu sehr zu ärgern?

Sonntag, 9. Juni 2013

Der Kaffeeverkäufer: NSU-Fiat 500 C Kombi

Hochhackiger Imbisswagen war gestern: Am Heck dieses NSU-Fiat 500 C Topolino begegnen sich geschäftstüchtiger Kaffeeverkäufer und aromabewusster Konsument endlich auf Augenhöhe. Was vorrangig an dem Heilbronner Exil-Italiener liegt: Den findet so ziemlich jeder knuffig. Und dann sieht er auch noch aus, als sei er gerade erst aus einer Scheune gezerrt worden – bewusst oder unbewusst weckt das Phantasien. Auf Messen und Großveranstaltungen in ganz Deutschland ist der Kaffee-Topolino deshalb anzutreffen, ich entdeckte ihn auf der Leipziger Buchmesse.

Die Blechsubstanz des Wagens scheint gar nicht so schlecht zu sein: Mit ein wenig Arbeit ließe sich der Exil-Italiener bestimmt auch wieder auf die Straße bringen – was ein guter Plan wäre, denn den 500er Kombi gab es in dieser Form nur in Deutschland. Rost im Schwellerbereich und am Bodenblech ist Topo-typisch und ließe sich beheben, ohne die Grundsubstanz sichtbar anzugreifen.

Aber: Dellen in den Radkappen? Aufkleber-Reste in Badenixen-Form auf der Motorhaube? Matter Lack? Das gehört wohl eher zum Charakter – vollrestaurierte Topolinos gibt es schließlich genug, und dieser erzählt wohl offen von der Sturm-und-Drang-Zeit seines Vorbesitzers. Dass die Heißgetränk-Firma das Faltdach durch eine Art Podest ersetzt hat und die Werbung auf den Türen "ordentlichen Bohnenkaffee" verspricht, fällt da kaum mehr auf.

Bevor ich wieder ging, wollte ich dann aber doch noch genaueres über den Topo und seine Wirkung wissen. So fragte ich den beschürzten Mann am Koffein-Auswerfer, ob er denn des öfteren auf den Fiat angesprochen werde. Antwort: „Nee, die Leute wollen alle nur Kaffee trinken…“ Nun ja – ich glaube, hier verkauft kräftige Patina kräftig mit!


Tipp: In Auto Classic 4/2013 könnt ihr eine ausführliche Topolino-Kaufberatung nachlesen!

Sonntag, 31. März 2013

Außen pfui, innen hui: Jonathan Ward und seine Derelicts

Bild: ICON/Chevrolet 1952 Styline Deluxe Coupe Derelict

Die Tuning-Szene kennt sie als "Ratten": Scheinbar verwahrloste Autos, die unter ihrer ranzigen Hülle frische Technik verbergen. Und meistens auch ein paar zusätzliche PS.


The Derelicts a short film by eGarage from eGarage on Vimeo.

Der Kalifornier Jonathan Ward geht mit seiner Firma ICON noch einen Schritt weiter: Seine "Derelicts" sehen aus wie Patina-Queens – und das waren sie auch mal. Kaum verbrauchte Originale, die unter günstigen Bedingungen sichtlich altern konnten, ohne strukturell zu verfallen. Ward verpflanzt ihnen moderne Technik unter die sonnengebürsteten Blechhaut. Außen pfui, innen hui: In seinem 52er Chrysler Town & Country (mit De Soto-Front!) schlummern nicht weniger als 425 PS.



Ward spürt in ganz Amerika patinierte Autos auf, strickt sie um, und macht aus ihnen individuelle Style-Maschinen, die sich dank ihrer modernen Technik im Alltag bewegen lassen. Neu ist das nicht, eher eine moderne Interpretation des Customizing-Gedankens.

Autofans staunen, die Patinatoren weinen.

Lesenswert: Auto Bild berichtete in Heft Nr. 3/2013 über die Derelicts. Titel: "Die perfekte Patina"...


Gourmet Films Presents "Icons & Derelicts" Part 2 from Gourmet Footwear on Vimeo.

Montag, 25. März 2013

Wie konserviert man eigentlich einen Le Mans-Sieger?

1967 gewannen Dan Gurney und A.J. Foyt mit dem All-American Racers-Team die 24 Stunden von Le Mans. Ihr Siegerauto, ein Ford GT 40 Mk. IV, steht heute im Henry Ford-Museum in Dearborn. Chefkonservator Matt Anderson erklärt in diesem Video die Geschichte des Wagens, warum er noch in unberührtem Zustand ist – und warum nun doch Hand angelegt werden muss: Beim Transport nach Goodwood letztes Jahr erlitt der GT einen leichten Transportschaden. Den repariert indes kein geringerer als...Dan Gurney's All-American Racers!

Mittwoch, 20. März 2013

Gekauft, verbraucht, vergessen – Goliath GP 700

An irgendeinem Punkt seines Lebens war jeder Oldtimer ein einfacher Verbrauchtwagen – besonders dann, wenn er ein ladefreudiges Kombi-Heck trug. So wie dieser Goliath GP 700 (ab 1952 als Kombi erhältlich), schätzungsweise Anfang der 70er Jahre in einer niederländischen Stadt fotografiert. Von Pflichterfüllung gezeichnet, hat ihn die Schönheit seiner klaren Form längst verlassen – die junge Frau, die da behände ihren Kinderwagen durch den oberen Bildrand schiebt, wird sich wohl gefragt haben, was es an einer so wüst vergammelten Karre zu fotografieren gibt...

SP-99-49 Goliath GP700 Kombi 1955
Photo Credit: Ted Xopl2009 via Compfight cc

Über 40 Jahre ist das jetzt her, der Goliath sicher längst verschrottet. Und was lernen wir daraus? Vielleicht, dass nach der Auslieferung eines Autos die Zeit nicht einfach stehen bleibt...

SP-99-49 Goliath GP700 Kombi 1955
Photo Credit: Ted Xopl2009 via Compfight cc

Donnerstag, 14. März 2013

Familienerbstück: Stutz DV-32 von 1932

In diesem Video stellt der amerikanische Sammler Jim Callahan seinen 1932er Stutz DV-32 Custom Lebaron Sedan vor. Ein "survivor", ähnlich dem kürzlich hier vorgestellten Brezelkäfer aus Schweden.

Der Tachostand von nur 23.000 Meilen macht den raren Luxus-Amerikaner besonders begehrenswert – zum Farbtopf zu greifen hieße, ihn zu entwerten.



Callahan erzählt die Biographie des Wagens: Von einem wohlhabenden Ingenieur aus Chicago als "Zweitwagen" neben einem Nash angeschafft, musste der Stutz schon 1939 eingemottet werden, weil sich nur für ein Auto Reifen beschaffen ließen. Als der Besitzer 1975 starb, war er bereits ein mal mit seinem Auto nach Rockford/Illinois umgezogen – ohne es jemals wieder zu fahren. Seine Tochter setzte die "Tradition" fort, brachte den Wagen in ihre Garage nach Wisconsin, und hob ihn dort bis 2012 auf.

"It's an exquisite piece of art", sinniert der glückliche Besitzer. Recht hat er!

Montag, 11. März 2013

Restaurierung Opel 1,3 Liter Teil II

Ich melde mich zurück mit dem zweiten Teil der Restaurierung meines 1934er Opel 1,3 Liter. Nachdem ich euch im ersten Teil geschildert habe, wie ich an den alten Rüsselsheimer geraten bin, will ich nun auf seine Geschichte eingehen.

(Hinweis: Wir wissen momentan nicht, warum die Bilder hier so unscharf dargestellt werden – wenn ihr sie anklickt, sind sie einwandfrei!)

Mit dem Erwerb eines alten Fahrzeuges ist ja oftmals auch der Erhalt von alten Fahrzeugpapieren und dergleichen verbunden – die erste Quelle, wenn es um die viel beschworene "Historie" geht. Je älter das Fahrzeug ist, und je mehr Kriege dazwischen liegen, desto geringer ist aber die Chance auf Vollständigkeit – oder die Aussicht darauf, überhaupt solche Dinge wie Schlüssel, Betriebsanleitung, Papiere, Werkstatthandbücher, Prospekte etc. zu bekommen.


So war ich bereits überglücklich, dass ich mit dem Auto auch einen Satz Vorkriegsschlüssel und immerhin den Fahrzeugbrief bekam – der leider erst 1946 von der französischen Militärregierung ausgestellt wurde (zur Erinnerung: wir befinden uns in Rheinland-Pfalz).


Durch ausgiebige Veteranen-Teilemarktbesuche und regelmäßiges Stöbern im Netz, sowie durch Kontakte mit anderen Besitzern betagter Opel gelang es mir schließlich, ein beachtliches Paket zeitgenössischer und originaler Literatur zusammenzutragen: Ehe man anfängt, auch nur irgend etwas am Auto zu tun, sollte eine gute Palette an Literatur parat liegen!


Besonders Betriebsanleitungen, Werstatthandbücher und Teilekataloge sind Gold wert. Etwa, wenn man fehlende Teile aufspüren will, sehen will, wie sie ausgesehen haben, oder wie sie montiert waren. Auch wenn man mit dem Auto eine Kiste Ersatzteile dazu bekommt, lassen sich diese anhand der Listen klassifizieren und benennen. Zu sehen, was die Teile 1934 neu bei Opel gekostet haben ist aufschlussreich und nur dann blöd, wenn gerade keine Zeitmaschine zur Hand ist.


Der zweite Schritt – noch vor einer Reinigung! – ist für mich eine gründliche Bestandsaufnahme des Wagens. Das ist vergleichbar mit der archäologischen Erkundung eines Geländes mit Bodendenkmälern, die "Survey" genannt wird. Weil ich diesen Begriff sehr passend finde, gebrauchte ich ihn auch immer im Zusammenhang mit meinen Restaurierungsprojekten.


Solch ein Survey beinhaltet im besten Fall das Fotografieren des Objekts und so vieler Details wie möglich, auch aus so vielen Perspektiven wie möglich. Am besten, man schreibt auch gleich auf, was einem beim gründlichen Betrachten einfällt: Was fehlt, was kaputt ist, was möglicherweise nicht original ist, oder was merkwürdig erscheint. Skizzen haben auch noch niemand geschadet.




Der erste Eindruck meines Opel bestätigte sich: Laut Brief wurde er 1949/50 das letzte Mal im Straßenverkehr bewegt. Er schlummerte also rund 56 Jahre einen Dornröschenschlaf, bevor er zu mir kam. Bis auf wenige demontierte Teile – die der Vorbesitzer abgeschraubt hatte, ehe er es aufgab, das Auto zu restaurieren – stand der Wagen nun genau so vor mir, wie er anno 1950 abgestellt wurde.

Den Beweis fand ich beim Zerlegen der hinteren Sitzbank, wo ein Mäusenest mit Zeitungen von 1953 ausgepolstert war: Der Wagen war wohl zu dieser Zeit schon abgestellt, und die Mäuse konnten sich in Ruhe austoben! Ein weiteres Indiz war, dass der Opel noch seine originalen Winker hatte, die normalerweise spätestens Ende der 1950er Jahre entfernt wurden: Dieser Opel hatte noch nie Blinker gehabt.


Am interessantesten fand ich den Motor. Normalerweise – der Name sagt es bereits – besaß der 1,3 Liter einen seitengesteuerten Motor mit 1300ccm Hubraum. Hier jedoch fand sich ein blauer, kopfgesteuerter 1500er aus dem Opel Olympia, der mit seinen 38 PS im Gegensatz zum 24 PS-Originalmotor eine wahre Rakete sein musste.

Nein, ich habe fortan nicht nach einem 1,3 Liter-Aggregat gesucht: In den Papieren von 1946 war der Oly-Motor bereits eingetragen, was ihn zu einer legitimen, historisch dokumentierten Veränderung machte, die m.E. unbedingt erhalten werden musste. Ganz zu Schweigen vom Mehr an Fahrspaß und der besseren, haltbareren Technik. Und mit Baujahr 1939 ist der Motor für das Auto auch nur fünf Jahre zu jung.



Die Karosserie war erstaunlich komplett: nur das Holz-Skelett, das unter dem Blech für Stabilität sorgt, war stellenweise weggefault. Das schreckte letzten Endes auch den Vorbesitzer ab, den Wagen zu restaurieren.

Einige kuriose Dinge, die sich allerdings erst einige Zeit später klärten, will ich hier schon vorweg nehmen. Die hintere Stoßstange passte nicht zum Wagen und gab mir Rätsel auf. Die originalen Stoßstangen sind glatt und rundlich an den Ecken; diese hier war eckig, besaß Rillen, und hatte in der Mitte eine Schweißnaht. Mittlerweile weiß ich, dass es sich um eine umgebaute Stoßstange eines Opel Kapitän 1938 handelt, die einfach in der Mitte auseinander gesägt, der Breite des schmaleren 1,3 Liter angepasst und zusammengeschweißt wurde.


Beim Betrachten der Rücklichter, die noch auf ihren originalen Stielen sitzen, fällt auf, dass das linke noch das originale von 1934 ist. Mit Chromrahmen, eingeprägtem Opel-Schriftzug und farbigem Zelluloid darin. Das Rechte hinggegen ist ein 1-2 Jahre jüngeres Opel-Rücklicht. Der Stiel des rechten Rücklichtes stellte sich dann auch als eine Konstruktion aus zölligem Wasserrohr heraus, was wohl so gegen 1937 angefertigt worden sein muss, da in diesem Jahr die StVZO geändert wurde: Alle PKW im Deutschen Reich mussten nun zwei Rücklichter am Heck tragen, vorher genügte eines. Eine weitere Änderung schrieb eine blaue Fernlicht-Kontrollleuchte am Armaturenbrett vor – die kennt man ja heute noch. Auch sie wurde bei meinem Opel ergänz und ist noch mit D.R.G.M (Deutsches Reichs Gebrauchsmuster) gemarkt.

Ansonsten war alles erstaunlich komplett. Die Schalter am Armaturenbrett, originale Gummis, Beschläge etc... Leider fehlte die vordere Stoßstange komplett, die Kühlermaske war komplett deformiert, und durch ein improvisiertes Kühlergitter total beschädigt worden. Desweiteren fehlten die Kühlerfigur, das 1,3-Kühlerschild, die Radkappen, sowie etliche Kleinigkeiten. Doch darüber würde ich mir später noch den Kopf zerbrechen.

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei meinem Auto um den frühesten bekannten Opel 1,3 Liter. Dies zeigte sich auch an diversen Details, die so an jüngeren Exemplaren nicht zu finden sind. Anders geprägte Kotflügel vorne, die Heckklappe aus einen dicken Alublech tiefgezogen (statt wie bei späteren Modellen aus zwei Blechteilen verschweißt), und weitere kleine Details.

Bei näherer Untersuchung wurde klar, dass der Wagen ursprünglich mit schwarzem Lack das Werk in Rüsselsheim verlassen hatte. Jetzt aber trug er Grau. Nun, an einigen Stellen platzte der dicke graue Lack ab, und zeigte den sehr gut erhaltenen und glänzenden schwarzen Lack darunter. Der graue Lack wurde auf der ganzen Außenhaut großzügig verteilt, ohne viel abgeklebt oder abgebaut zu haben –Chromteile, Dichtungen etc. wurden einfach mitlackiert.

Vermutlich kann gesagt werden, dass es sich um eine schnell aufgebrachte militärische Lackierung in Feldgrau handelt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde der Wagen während des Krieges durch das Militär, den Luftschutz o.ä. eingesetzt. Viele private PKW wurden damals von der Regierung requiriert, also ohne Entschädigung eingezogen und für militärische Zwecke genutzt. Leider fanden sich keine eindeutigen Hinweise auf eine militärische Verwendung, bis auf den Lack und Hinweise auf schweren Geländeeinsatz: hoch liegende Rahmenteile wiesen Beulen und Schürfspuren auf, Lehm und Ackerboden war kiloweise in den Rahmentraversen zu finden.

Noch ein Wort zur militärischen Farbgebung: Die war gegen Mitte/ Ende des Krieges wohl nicht mehr so standardisiert wie am Anfang; es ging nur noch darum, einen grauen/grünen, stumpfen Farbton auf das ganze Auto aufzutragen, damit nichts mehr funkeln und glänzen könnte, was in der Sonne (und angestrahlt bei Nacht) verräterisch wäre.



Fest steht nur, das der Wagen wohl an der "Heimatfront" benutzt wurde, denn sonst hätte er kaum in Westdeutschland überlebt und wäre mit allergrößter Wahrscheinlichkeit irgendwo im Osten geblieben.

Nun habe ich schon wieder viel geschrieben, und dabei noch nicht eine Schraube aus dem Fahrzeug gedreht. Alles Absicht: Ich möchte vor allem verdeutlichen, wie wichtig es ist, sich mit dem Restaurierungsobjekt auseinanderzusetzen, bevor man schließlich Hand anlegt. Eins ist sicher: Nach solch einer detaillierten Betrachtung hat man einen ganz anderen Zugang zum Fahrzeug und respektiert es in seiner Gesamtheit und seiner "erlebten" Geschichte um so mehr.

Bald geht es weiter mit dem Start der Restaurierung – ich hoffe, dass Euch der Bericht bis jetzt gefallen hat.

Donnerstag, 7. März 2013

Auf eine Knitterpartie mit zwei Cisitalia

Im Februar bin ich immer ganz aufgekratzt. Immer dann, wenn der Besuch der Rétromobile in Paris ansteht. Mit nur 400 Ausstellern und 80.000 Besuchern ist die Messe im 15. Pariser Arrondissement recht überschaubar – aber sie hat Klasse, und die großen Auto-Happenings in Essen und Stuttgart wirken im Vergleich fast schon vulgär, finde ich.


Paris ist aber nicht nur die große, teure, abgehobene Welt schillernder Delahaye und Bugatti. Auf der Rétromobile finden auch all jene ein Forum, die sonst übersehen werden – hier erzählen sie ihre oft feinsinnigen Geschichten.



Wie passend, dass auch in Paris der Trend zur Patina geht: Sogar für Extremfälle scheint hier das Publikum schon bereit, und ließ in diesem Jahr bei diesen beiden Cisitalia seine Fotoapparate staunend auf Tuchfühlung gehen. Der italienische Besitzer bot die Renner zwar zum Verkauf an, sparte sich aber das Preisschild. Und musste schon am zweiten Tag zwei „Nicht berühren!“-Schilder auf den Hauben drapieren: Akkurat zerknitterte Außenhäute die diese senken eben auch die Anfass-Hemmschwelle beim Publikum...



Er besitze die beiden Cisitalia schon seit 30 Jahren, erzählte mir der freundliche Verkäufer. Restaurieren wollte er sie nie. Während der dunkelgraue Ex-Bolide noch eher wie das Restaurierungsobjekt wirkt, das er tatsächlich ist, wünschte ich mir den roten sofort auf eine Rennstrecke: Mit restaurierter Technik und unberührtem Äußeren. Und mit mir hinterm Steuer, natürlich.




Während ich so vor mich hin sinnierte, fragte ich mich plötzlich, ob dieser rudimentär dekorierte Verkaufsstand nicht auch eine Kunstinstallation sein könnte: Ein Statement für eine Knitterpartie, die es in dieser sonst so schillernden Auto-Welt normalerweise nicht geben dürfte. Ich glaube, in Paris hätte so etwas durchaus seinen Platz...

Dienstag, 26. Februar 2013

Ein Opel 1,3 Liter von 1934 aus dem Dunkel der Geschichte


Ich möchte in diesem Blog die Geschichte meines Opel 1,3 Liter von 1934 erzählen. Es wird eine längere Geschichte werden, die zu erzählen mehrerer Episoden bedarf. Für mich ist es ein außergewöhnliches Auto. Es ist für mich ein Denkmal, ein Zeitzeuge, ein Kunstwerk der Zeit und ein Experiment.

Ja, Ihr habt richtig gelesen, er ist ein Experiment. Dies erklärt sich folgendermaßen: Seit einigen Jahren sammle ich alte Fahrräder. Räder, die meistens über 100 Jahre auf dem Buckel haben. Die Restaurierung dieser Räder handhabe ich so, dass ich so wenig originale Substanz wie möglich zerstöre und soviel erhalte wie möglich. Keine Neulackierung, kein Neuvernickeln der blanken Teile, keine neuen Anbauteile. So, dass eben auch die Spuren der Zeit erhalten bleiben, wie bei diesem Panzer Fahrrad von 1908:





Lange Zeit habe ich mich gefragt, ob dieses Vorgehen auch bei einem Automobil möglich ist. Da ein Auto wesentlich mehr Technik, Elektrik und Textilien etc. aufweist und auch letzten Endes die TÜV-Hauptuntersuchung bestehen muss, ist die Problematik eine ganz andere.

Um ein solches Projekt realisieren zu können, bedarf es zu allererst einmal eines geeigneten Objekts. Eines Autos also, das die Zeit so günstig überstanden hat, dass es eben noch genug erhaltungswürdige Substanz aufweist und in dieser Weise museal und patinagerecht restauriert werden kann. Dass es in meinem Fall ein Vorkriegswagen sein sollte, machte es nicht leichter. Lange schon hatte ich mit Opel aus der Vorkriegszeit zu tun, aber im Regelfall waren nur restaurierte bzw. verpfuschte Exemplare verfügbar. Oder irgendwelche hoffnungslosen Ruinen, aus dem tiefen Osten Europas zurückgeholt.

Eines Tages fand ich bei Ebay einen Opel 1,3 Liter von 1934. Er machte auf den Bildern einen sehr soliden Eindruck. Er sah anders aus als die Exemplare aus dem Osten. Sicher, auf den ersten Blick war er mitgenommen, doch nach einem Telefonat mit dem Anbieter stellte sich heraus, dass der Wagen seit 1949/50 stillgelegt war, immer trocken stand, immer in Westdeutschland war (!) und somit seit 1950 nicht mehr von Menschen verändert wurde. Hier sind ein paar Bilder, wie ich den Wagen bekommen habe:








Als ich den Wagen in der Nähe von Bad Kreuznach besichtigt habe, passierte etwas, was ich so vorher nicht kannte. Ich hatte eine Vision, wie der Wagen aussehen soll, wenn er restauriert ist. Er erschloss sich mir in allen Details und in seiner Gesamtheit und in meiner Vision erschien er mir nicht neulackiert und blitzend und blinkend im Neuzustand. Er sollte mein Experiment werden und ich wollte wissen, wie man mit so einem Auto umgehen kann und es in einen fahrbereiten Zustand mit TÜV versetzen kann ohne ihm seinen Charakter, oder wenn man es so will seine Seele zu rauben. Nun galt es nur mit dem Anbieter handeleinig zu werden und den Wagen in die Pfalz zu bringen. Dies passierte dann recht schnell und wir wurden uns bei 3000€ inklusive unzähliger Teile und einem halben Schlachtfahrzeug. Zu hause angekommen wurde erst einmal eine Bestandsaufnahme vorgenommen und etliche Fotos, Skizzen und Beschreibungen angefertigt. Nichts sollte einfach so schnell abgabaut, bzw auseinandergenommen werden.

Ihr seht ja hier bereits das ein oder andere interessante Details, wie die Beheizbare Frontscheibe, die man normalerweise immer nur eingepackt auf irgendwelchen Teilemärkten sieht. Schön war auch, dass ich ihn mit den originalen Schlüsseln bekam und auch mit dem Fahrzeugbrief. Leider nur einer, der erst 1946 von der französischen Militärregierung ausgestellt wurde, aber immerhin mit Papieren. Wie sich ein paar Tage später herausstellte ist es obendrein noch der älteste erhaltene Opel 1,3 Liter aus dem Februar 1934 mit der Fahrgestellnummer 556. Also der 556. von ca. 20.000.

Wie es mit dem Wagen weiterging und was für Deteils ich ihm entlockte werde ich im nächsten Teil berichten.

Oily rag: Sunbeam Twin Cam Super Sports




Während wir uns hierzulande noch die Köpfe zerbrechen, ob ein Zustand mit Zeitspuren tolerabel sei oder nicht, gibt es auf den britischen Inseln bereits einen festen Begriff dafür: Oily rag.

Das Vorkriegsauto-Magazin „The Automobile“ ist ein glühender Verfechter der „oily rag condition“ und zählte in der Juli-Ausgabe 2012 auch den 1926er Sunbeam Twin Cam von Quentin Chases dazu. Mit seiner Kunstleder-bespannten Weymann-Karosserie sieht der Dreiliter-Doppelnocker mit richtig unscheinbar aus – und dabei stecken 90 bhp unter der Alu-Haube!

Als Quentin den Wagen kaufte, so steht im Artikel zu lesen, überholte er zunächst die Technik und das Fahrwerk,
„transforming the car‘s previously wayward handling“. Doch die rote und cremefarbene Lackierung des Vorbesitzers gefiel ihm nicht – ein dezentes Grau sollte es sein. Jedoch: „Doomsayers said he would have to replace the patinated fabric body covering in order to achieve this. However, the fabric surface was prepared and painted just like any other, and the result has been a great success.“ Stimmt: Der Lack ist extra-matt, und die vernarbte Oberflächenstruktur kommt immer noch durch.

Der Innenraum blieb gänzlich unangetastet: „Like a pair of well worn shoes, the Sunbeam‘s red leather seats fit perfectly and are very comfortable, with back-seat passengers enjoying enormous amounts of legroom.“
Ich würde trotzdem lieber mal vorne rechts Platz nehmen wollen...


Die Juli-Ausgabe von The Automobile könnt ihr hier nachbestellen – oder gleich bei Julie Clifton nach den Abo-Konditionen dieses großartigen Magazins fragen: jules.clifton@theautomobile.co.uk


Montag, 4. Februar 2013

Unmolested survivor: Brezel-Käfer von 1950


Bild: TheSamba.com

Die Zeit der scheunen Funde (kleines Wortspiel ;-) scheint schon lange vorbei zu sein. Doch ab und zu taucht doch noch Erstaunliches auf: Dieser VW von 1950 zum Beispiel, inseriert auf thesamba.com als „unmolested survivor“ (unverpfuschter Überlebender). 

Bild: TheSamba.com

Der originale schwarze Lack mag pickelig sein – aber wenigstens IST es der originale Lack, mit dem der VW 1950 in Wolfsburg vom Band lief und seine Reise nach Schweden antrat. Sogar die Winker sitzen noch unberührt in ihren Schächten.

Der Schonbezug hielt lange genug durch, um die Originalpolster zu schützen.
Bild: TheSamba.com

Weitere Pluspunkte laut Inserat: Gut erhaltene Innenausstattung durch Schonbezüge, alle Räder original, offenbar ungeschweißt. 

Wie neu: Armaturenbrett und Lenkrad. Bild: TheSamba.com

Der erwähnte Rost an der Unterseite des Heizungskanals (eine Käfer-typische Schwachstelle) wird sich sicher reparieren lassen, ohne beilackieren zu müssen. Ganz klar: dieser Käfer kann, darf und muss so bleiben, wie er ist – oder seht ihr das anders?

Sogar die Schramme am Kotflügel wirkt nach so langer Zeit nicht mehr wie ein Schaden: Sie gehört zum Auto. Bild: TheSamba.com

Bild: TheSamba.com
Originaltext der Anzeige:

'50 Split bug. Very original unmolested survivor   Price: 15995 GBP
This was to be a keeper but as a house build cost escalates im offering it for sale.

A very nice unrestored and mostly original paint 50 beetle.
All date matching original paint 16" wheels, original wings, nice doors, decklid and hood.

The interior is in really nice condition and has had seat covers on from new. Original upholstery showing through a couple of the tears in the seat covers. Lovely clean original headliner, you just cant replicate the original stuff inside these cars.
Superb dashboard with all original equipment.

Motor rebuilt at some point nad has a Swedish KDS rebuild code stamped onto it now.

Both grooved bumpers with correct overiders. One grooved and one non grooved semaphore.

Theres a little rust to the lower plate of heater channel but its not a lot for a car like this. Does not appear to have had any welding.

A really good car with so much potential.

Not interested in trades.
Private sale.


Montag, 28. Januar 2013

Übermalter Originallack – ein Rettungsversuch

Eine Simson SR 1 in unrestauriertem Originalzustand? Das gibt‘s nicht gerade oft. Nach dem Mauerfall ging der Wert eines Ost-Mopeds gegen Null – wenn es also nicht einfach entsorgt wurde, musste es häufig eine „stylische“ Handfeger-Lackierung über sich ergehen lassen, um in den 90ern noch geduldet zu werden. Freunde des patinierten Originalzustands schmerzt sowas natürlich – und doch ist es für eine Rettung nicht immer zu spät, wie dieses Video beweist:


Leider bleibt der Restaurator nicht nur das Endergebnis, sondern auch nähere Angaben zur verwendeten Abbeizer-Chemikalie schuldig. Wir meinen, es könnte sich um Universalverdünnung handeln: Die löst im Idealfall einfache Kunstharzlacke auf, verschont aber die Originalfarbe. Und wahrscheinlich benutzt der gute Mann auch eine Spezialwäscheklammer aus Gummi – damit das Moped nicht auch noch Kratzer abbekommt...

Donnerstag, 24. Januar 2013

Bleibt wie er ist: Mathis MY von 1930

Alle Bilder: Forum GAZOLINE

„Ich hab’ mir nie viel aus Vorkriegsautos gemacht. Sie waren mir immer zu kantig, und meistens überrestauriert. Außerdem nicht schnell, nicht immer zuverlässig, und im heutigen Verkehr nicht einfach zu fahren“, schreibt der User "Virgil" im französischen GAZOLINE-Forum. Aus seinem Restaurierungs-Threat zeigen wir Auszüge und übersetzen das Wichtigste.


In Frankreich leisten nämlich zahlreiche Scheunen noch immer gute Dienste als "Konservierungsmittel", und so hat auch Virgil einfach nicht widerstehen können, als ihm ein Mathis MY von 1930 über den Weg lief. Angesichts einer überdurchschnittlich guten Substanz klärt der Schrauber gleich zu Anfang die Fronten: „Er bleibt wie er ist. Ich werde eine Lackierung, die ganze 80 Jahre recht gut überdauert hat, nicht einfach neu machen.“


Virgils Lösung: Nach dem Anschleifen der Lackoberfläche mit 1000er Schleifpapier wird die Karosserie einmal (vorsichtig!) mit Verdünner gesäubert, und schließlich mit einer Mischung aus ¾ Öl und ¼ Terpentin eingerieben. „Wenn der Überschuss abgewischt ist, glänzt die Oberfläche, fühlt sich aber nicht fettig an“, schreibt er. 


KO-Kriterium bei einer Vorkriegskarosserie wie dieser: Die Trägerstruktur aus Holz. An Virgils Auto erwiesen sich die Bodenbretter als gesund, nur einen wurmstichigen Querträger fand er vor.


Bliebe noch die Technik, die natürlich überholt werden muss: aufgrund eines ausgelutschten Differentials besorgte Virgil eine neue alte Hinterachse (aus einem Anhänger vom Bauernhof). Befund: wie neu.


Den Vergaser reinigte Virgil im Ultraschallbad. Ergebnis: „Fast schon zu sauber...“
Der Motor ließ sich zum Laufen bringen, klackert aber leicht, was auch in diesem Video hörbar ist:


Mathis MY de 1930 von virgil30

Virgil wird den Zylinderkopf abnehmen müssen. Da ist dem Restaurator die viele Originalität ausnahmsweise nicht so willkommen: „Ich denke, mit dem ganzen Rost an den Stehbolzen wird das sportlich...“