Montag, 20. Oktober 2014

Löcher stopfen, Patina erhalten: So wird ein 1951er Adler Fahrrad wieder original


Die goldene Hochzeit haben die beiden bereits hinter sich.

Auf der diesjährigen Herbst-Veterama lief mir ein gut erhaltenes, rotes Adler Fahrrad von 1951 über den Weg. Naja, eigentlich waren es zwei – ein Pärchen, sozusagen. Ich liebe diese bunten Räder aus der Nachkriegszeit und den zögerlichen Optimismus, den sie ausstrahlen. Außer in rot gab es sie noch in blau und grün, doch leider erwies sich der Lack als nicht so haltbar wie der bis dato so bewährte schwarze Einbrennlack. Ich musste die beiden also kaufen, ungeachtet der Konsequenzen...

Marke und Typ mit der Schablone aufgesprüht – damit das klar ist...

Denn: Das Herrenrad wurde irgendwann "optimiert" und eine moderne Hinterradfelge mit 1970er-Jahre Dreigangschaltung eingebaut und in den 80ern ein neuer Lenker montiert. Schlimmer aber: Vorne hat jemand in das originale Schutzblech ein riesengroßes Loch reingeschnitten, um eine seilzugbetriebene Stempelbremse einzubauen. Der letzte Schrei – in den 60ern.

Die "moderne" Version der althergebrachten Stempelbremse am Adler-Herrenrad.

Da ich vor Jahren mal ein Adler aus derselben Zeit geschlachtet hatte (Rahmenbruch!), konnte ich den Kauf dieses Exemplars immerhin als glückliche Fügung verbuchen. Denn Adler-Fahrräder hatten immer eine besondere Bremsführung, die im vorderen Schutzblech eingearbeitet war – ein sehr elegantes Detail. Und einen originalen Lenker mit komplettem Bremsgestänge hatte ich auch noch. Also: frischauf ans Werk!

Das barbarisch reingeschnittene Loch für das Bremsen-Update. Schmerz lass nach! 


Erster Schritt: Die Reste der alten Bremsführung, die an das Schutzblech gepunktet ist, sorgfältig entfernen.

Die drei Schweißpunkte sind gekörnt und können ausgebohrt werden

Die Schweißpunkte sind nun ausgebohrt. Es reicht, durch ein Blech zu bohren.

Die abgeschnittene Bremsführung ist ausgebohrt. Ganz links ist die intakte originale Adlerbremsführung vom Schlacht-Rad.

Die alte Bremsführung aus dem Schlachtrad (das vordere Schutzblech war damals nicht mehr zu retten) hat genau die gleiche Bauart. Wie Opa immer sagte: Nur nichts wegwerfen! ;-) Nun können also rotes Schutzblech und originale Bremsführung wieder zusammenfinden.

Anprobe der neuen alten Bremsführung. Hier wird deutlich, wie groß das ins Schutzblech reingeschnittene Loch ist.


Die erste "Anprobe" zeigt, dass die Bremsführung passt und die richtige ist. Nun muss das Schutzblech behutsam wieder in Form gedengelt werden, da diese durch das Rausschneiden und Reinwürgen der modernen Bremse, ähm, "verändert" wurde...

Das nun grob gerichtete Schutzblech und die gesäuberte Bremsführung wurden mittels einer Gripzange im Schraubstock fixiert und wieder durch die Bohrlöcher mit dem Schutzgas-Schweißgerät festgepunktet. Da das Fahrrad-Blech sehr dünn ist, muss die Stromstärke stark runtergeregelt werden, sonst brennt es sofort durch! Danach werden die Schweißpunkte mit einer Fächerscheibe und dem Winkelschleifer geglättet. Die Fächerscheibe hat weniger Abtrag als eine Schruppscheibe und ist hier somit sinnvoller.

Fixieren der Bremsführung und des Schutzbleches mit einer Gripzange

Die Bremsführung ist durch die Löcher der ausgebohrten Schweißpunkte wieder angechweißt worden.

Nach dem Glätten der Schweißpunkte mit Winkelschleifer und Fächerscheibe (Achtung! Feingefühl und Schutzbrille erforderlich! )

Jetzt wird das ausgeschnittene Loch geflickt:

Ein Stück Blech wird leicht gebogen und ein Loch mit dem richtigen Durchmesser gebohrt (hier 16mm).

Passt! Nur das Blech ist noch etwas zu groß.

Hier ist das Reparaturblech grob eingepasst und kann stumpf eingeschweißt werden.
Sitzt, passt, wackelt und hat Luft.

Dasselbe noch mal, nach dem Feinschliff.

Leider geht solch eine Operation, wenn auch sensibel durchgeführt, immer auch zu Lasten der Originalsubstanz: Rund um die Schweißstelle brennt der Lack weg. Allerdings ist das hier m.E. zu rechtfertigen, da die originale Funktionalität und das ursprüngliche Aussehen wiederhergestellt werden – Stichwort: Restaurierung!

Nach der partiellen Grundierung mit Owatrol CIP (exzellente Kriechwirkung!) sieht es schon nicht mehr so wild aus.

Nach dem Trocknen der partiell aufgetragenen Grundierung kann nun die Montage erfolgen. Die Spannung steigt: Passt alles?

Bremse funktioniert, sieht gut aus. Und der Adler ist auch wieder auf dem Schutzblech gelandet.

Es passt! Nach erfolgreicher Reparatur bzw. partieller Restaurierung funktioniert die originale Adlerbremse wieder wie am ersten Tag. Die dünnflüssige Grundierung Owatrol CIP verhindert das Rosten der Schweißstelle und fließt dank Kapillarwirkung bis in die letzte Ritze zwischen den Blechen.

Der nächste Schritt wird sein, die Grundierung mit 400er Schmirgelpapier nass zu schleifen und die Stelle mit einer Airbrushpistole beizulackieren. Farbe muss ich mir sowieso anmischen lassen, da einige Stellen auszubessern sind und ich eine hintere Felge lackieren muss. Leider muss das Rad sich jetzt etwas gedulden, da andere Projekte anstehen. Aber der erste Schritt ist gemacht.

Ich hoffe es hat Euch inspiriert, was man mit Geduld, den richtigen Geräten und etwas Erfahrung tun kann, ohne eine originale Substanz völlig zu ruinieren :-)