Dienstag, 27. Mai 2014

Sekundär-Patina dank DDR-Vergangenheit: Mein 1935er Adler Trumpf


Schon lange war ich auf der Suche nach einem erschwinglichen deutschen Kabriolett aus den 1930er Jahren gewesen. Mein favorisiertes Objekt der Begierde war immer ein Opel Super 6, da dieser elegantes (wenn auch sehr amerikanisches) 30er Jahre-Design mit ausreichend Motorleistung verbindet.

Hier ein Opel 2 Liter Kabrio, ähnlich Super 6 aus einer alten Blaupunkt Werbung

Doch in den letzten fünf Jahren wurde nur wenig angeboten – meistens überteuerter Schrott. Nur ein Fahrzeug, identisch mit dem oben abgebildeten, wurde mir vor der Nase weggeschnappt.

Nun, wie es der Zufall so will, entdeckte ich eines Tages beim Surfen durch Mobile.de einen auf den ersten Blick gar nicht so übel aussehenden Adler Trumpf von 1935.

Für alle, die nur den Trumpf Junior kennen: Der Trumpf war zuerst da, er kam 1932 auf dem Markt, hat zwar das gleiche Frontantriebskonzept, aber größere Abmessungen, ist bedeutend luxuriöser. Und er hat Leistung! Im Falle eines Trumpf 1,7AV 38 glückliche Pferdchen. Aber: Der Trumpf ist bedeutend seltener als der Trumpf Junior: Den nämlich verschmähte die Wehrmacht, weil ihr magere 995 ccm UND Frontantrieb in Kombination dann doch nicht geheuer waren...

 
Adler Trumpf 1,5AV Kabrio Mod. 1933
Eigentlich bin ich schon seit meiner Kindheit von den Fahrzeugen der Adlerwerke begeistert. Vor zwei Jahren kaufte ich günstig einen Adler Trumpf 1,5AV von 1933 in einem traumhaften Originalzustand, den es irgendwie nach Frankreich verschlagen hatte: Bis 1956 war er im Département Belfort gelaufen.

Meine Trumpf 1,5AV Limousine – "dans son jus", wie der Franzose sagt
Nun hatte ich ja schon einen Trumpf – und sah mich nach einem zweiten als Kabrio um, sodass (theoretisch) beide Wagen mehr oder weniger parallel zum Leben erweckt werden könnten. Obwohl die Adler-Wagen vergleichsweise altbacken daherkamen, finde ich sie in ihrer Schlichtheit eleganter als die zeitgenössischen Mitbewerber aus Rüsselsheim: Der Frontantrieb bedingte eine lange Haube, die fehlende Kardanwelle eine niedrigere Karosserie. Und dann ist da noch der traumhaft schöne Adler auf der Kühlermaske, der 1929/30 von Prof. Walter Gropius (Initiator des Bauhaus Dessau) für Adler entworfen wurde.

Nur wenige Fahrzeuge tragen ein Stück Designgeschichte am Kühler: Der Trumpf mit seinem von Walter Gropius entworfenen Adler gehört dazu. 
Doch zurück zu dem Trumpf Kabrio aus dem Internet. Ausgestattet mit Literatur und etwas Adler-Hintergrundwissen besichtigte ich den Wagen – und war zunächst ernüchtert: Bei näherem Hinsehen sah das alles ziemlich nach "Ost-Auto" aus. Eigentlich wollte ich nie mehr ein Fahrzeug mit DDR-Vergangenheit kaufen, da fehlende Teile und schlechte bzw. improvisierte Reparaturen meistens einen erheblichen Mehraufwand bedeuten. Bitte nicht falsch verstehen: ich habe hohen Respekt vor der Leistung, ein Vorkriegsauto im real existierenden Sozialismus am Leben erhalten zu haben. Nur habe ich für mich die schmerzliche Erfahrung gemacht: Je weiter aus dem Osten, desto hoffnungsloser verbastelt.

Nun gut, der Adler wirkte in sich solide. Es war aber keine Karmann-Karosserie, wie angeboten, sondern eine von Ambi-Budd: Ein unsensibler Schweißer hatte nach einer A-Säulen-Reparatur die Plaketten wohl einfach weggelassen.

Diese Plaketten sollten eigentlich links und rechts an den A-Säulen befestigt sein.
Leider fehlten die originalen Stoßstangen, die Radkappen, die Blechnäpfe auf den Felgen, die originale Bosch-Zündspule mit Zündschloss (TF 6/3) und zwei von vier Instrumenten. Die Kotflügel vorne sind dick gespachtelt etc. Positiv: Die Innenaustattung wurde in der DDR einmal sorgfältig in 70er Jahre-beigem Cord erneuert (Laien werden die Abweichung vom Original kaum bemerken), und die Technik erwies sich als komplett: Alle elektrischen Bauteile wie Verteiler, Lichtmaschine, Anlasser waren noch da, und auch der Vergaser entsprach der Original-Ausrüstung!

Nach reiflicher Überlegung und Kostenkalkulation (und dreimal überschlafen), machte ich dem Besitzer – der den Wagen aus gesundheitlichen Gründen verkaufen wollte – ein für mich gerade noch akzeptables Angebot, auf das wir uns dann einigten. Eine Woche später trailerten wir den Adler nach Hause.

Es braucht keinen Kompressor, um einen Adler aufzuladen. Ähem, kleiner Scherz...

Am nächsten Tag begann ich mit der gründlichen Bestandsaufnahme des "Adlerwagens", oder einem "Survey" wie ich es ja gern zu nennen pflege (siehe auch hier). Der Wagen wurde zuerst einmal durchfotografiert, um den Status quo zu dokumentieren.





Dann fing ich an, alle definitiv nicht originalen und nicht wieder zu verwendenden Anbauteile abzubauen und zu entsorgen. Ich wollte keine wilde 1970er-Jahre-DDR-Elektrik aus Ruhla mehr in meinem Frankfurter Auto haben. Und feststellen, welche Bohrungen im Armaturenbrett und an der Stirnwand getrost zugeschweißt werden können. Zu meiner Freude fand ich noch die originale Bosch Handlampen-Steckdose im Fußraum vor. Außerdem stellte sich der Winkerschalter als Teil der Originalausrüstung heraus. Dank Bosch Automotive Tradition kann man sich die Ausrüstungslisten seines Fahrzeuges herunterladen und alles abgleichen!

Zu den negativen Funden gehörte definitiv, dass alle Felgen nicht vom Adler stammen, obwohl sie so aussehen und auch super passen. Sie müssen von einem anderen deutschen Vorkriegsfahrzeug stammen, denn sie sind von Kronprinz. Leider aber 16 Zoll, und der Trumpf trägt original 17 Zoll. Die passenden Räder aufzutreiben wird nicht einfach werden.

Links original, rechts Fälschung. Weiß jemand, zu welchem Fahrzeug die rote Felge passt?
Leider ist der Motor nicht mehr der originale. Es ist zwar ein 1,7 Liter, aber nach Finden und Freilegen der Motornummer sah ich, dass sie nicht mit dem Typenschild an der Stirnwand übereinstimmt. Das ist nun keine Seltenheit nach fast 80 Jahren Autoleben, aber schade. Ich fand auch einen Unfallschaden im Bereich des Vorderwagens, der definitiv gerichtet werden muss. Leider sind auch die mächtigen Schweller beide einmal sehr dürftig geschweißt worden. Hier muss alles gründlich erneuert werden.

Positiv ist, dass alle relevanten Teile der Verdeckkonstruktion da sind und funktionieren – würden sie fehlen, wären sie so gut wie gar nicht aufzutreiben.

Leider wird die Liste der Fehlteile trotzdem immer länger, und ich werde meinen Spaß haben, alle Teile aufzutreiben.

Sehr frustrierend war bei der weiteren Bestandsaufnahme der Motor.


Der Vorbesitzer erzählte mir, dass er mit einem Bekannten versucht hatte, den Motor zum Laufen zu bringen. Allein diese Aktion bereitete mir Sorgen, denn ich predige immer, dies doch bitte bei lange stehenden Fahrzeugen bitteschön zu unterlassen, da man hier oft mehr kaputt macht, als man glaubt. Nun, es war eine neue Kraftstoffleitung mit Filter montiert und teilweise neue Kerzenstecker, im Kühler war neuer Frostschutz. Sie hatten es also tatsächlich versucht.

Als ich nach dem Ölstand schaute, sah ich, dass der Ölmeßstab kein Öl anzeigte, sondern nur weiß-gräuliches Schmierzeugs.... Oha! Wasser im Öl!

Also erstmal Öl ablassen. Erst mal kamen mir ca. 1-2 Liter klares Wasser entgegen. Schock! dann schleimte sich die Emulsion aus Wasser und Öl langsam raus. Ich nahm schließlich die Ölwanne ab und dies war das Bild, das sich mir bot:


Die Frage ist: Wie kommt Wasser ins Öl? Das Wasser war klar, kein grüner Frostschutz. Also, war es schon vorm Startversuch drin? Ist der Block gerissen? Aber dann wäre der Frostschutz reingelaufen. Regenwasser? Hätte der Startversuch geklappt, wäre der Motor definitiv sehr schnell ganz kaputt gegangen, da keine Schmierung erfolgt hätte.

Interessanterweise sehen Kurbelwelle und Pleuel noch gut aus. Gut, dass Wasser schwerer als Öl ist, so waren diese Bauteile nicht direkt dem Wasser ausgesetzt. Die Ölpumpe war voller Schmodder:


Das Teil sah so bemitleidenswert aus, dass ich es noch am selben Tag ausgebaut, gesäubert, zerlegt, geplant, wieder geschmiert und zusammengebaut habe. Das Wasser-Mysterium muss bei Ausbau und Zerlegung der Maschine dennoch gründlich untersucht und geklärt werden.

Fazit:
Wer ein Mittelklasse-Kabrio aus den 1930er Jahren sucht, noch dazu ein deutsches, der darf nicht allzu wählerisch sein. Trotz der negativen Befunde, die die positiven Befunde leider aufwiegen, erscheint mir der Adler nach wie vor als lohnendes Restaurierungsobjekt, das mit einigem Aufwand (ja, auch in finanzieller Hinsicht) wieder herzurichten ist.

Hier versteckt er sich: Der originale beigegraue Lack des Adler

Schönes Detail: Der originale Kühler. Rechts eingeschlagen: 1,7 AV

Das Produktionsdatum des originalen Tachos: 6 35, also Juni 35. Passt!


Und die Patina?

Tja, darüber haben wir uns lange den Kopf zerbrochen. Das Auto, so wie es da steht, ist ein Zeitzeuge. Ein Zeitzeuge aus der DDR. Es führt uns vor Augen, wie ein Auto von 1935 in den 1970er Jahren in der DDR "restauriert" und genutzt wurde. Das Ergebnis ist etwas, das man "Sekundär-Patina" nennen könnte: Der Lack ist furchtbar, überall platzt Spachtel ab, Details sind schauderhaft zurechtgebastelt. In Abgrenzung dazu steht mein oben gezeigter Adler 1,5AV "echte" Patina an originalem Lack, Chrom und Stoff. Dies macht ihn aus meiner Sicht extrem erhaltungswürdig.

Der DDR-Adler hingegen ist bereits "ruiniert": keine Oberfläche ist mehr original, alles war einmal auseinander und wurde "restauriert". Die wenigen originalen Teile, wie Instrumententräger, Lenkrad, Schalthebel etc. dürfen ihre Patina behalten, und an das DDR-Kapitel seiner Biographie wird der Adler ja nicht zuletzt durch seine Cord-Innenausstattung erinnern.

Oder wie sehr ihr das?

Donnerstag, 22. Mai 2014

Zeitmaschinen und Restaurierungs-Sünden im Deutschen Museum München



Vor ein paar Wochen war ich auf Kurzurlaub in der Isarmetropole München. Natürlich nicht, ohne das neue Verkehrszentrum an der Theresienwiese zu besuchen – und die Autos wiederzusehen, die mich schon als Kind faszinierten.

Was ich nun nach etlichen Jahren Abstand gesehen habe, hat mich erstaunt und überrascht. Sogar zumeist positiv. Die ausgestellten Autos wirken meist sehr authentisch – will heißen: sie kommen nicht überrestauriert daher, sondern erscheinen wie Gebrauchsobjekte. Das lässt sich oft wohl damit erklären, dass etliche Fahrzeuge schon vor Jahrzehnten am Ende ihrer Nutzung auf den unterschiedlichsten Wegen ins Museum kamen.


So stellt sich bei einem Großteil der Exponate ein "Zeitmaschinen-Effekt" ein: man denkt, die Autos seien eben noch unterwegs gewesen und gerade erst abgestellt worden.

Besonders beeindruckend: Ein großer Adler Standard 6 aus den späten 1920er Jahren. Er ist nachlackiert, es fehlt die Kühlerfigur, die Rücklichter sind falsch, die Stoßstangen silberbronziert usw. Aber man hat ihn vor Augen, wie er im Verkehr der 1950er Jahre als rollendes Fossil unterwegs war; oder auch, wie er in den 1970er Jahren irgendwie als Oldtimer fahrbereit gemacht wurde, ohne schäbig oder peinlich zu wirken.



Oder nehmen wir diesen blauen Buckel-Taunus: Zusatzblinker, D-Schild, so fuhr man damals. Die Exponate sind Zeitzeugen, erzählen ihre Geschichte.



Dann gibt es aber auch noch einige Fahrzeuge, die wohl in den 1970er, bzw. 1980er Jahren "restauriert" worden sind. Besonders sind mir da zwei frühe Motorräder aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg aufgefallen: Eine Maschine aus der Produktion von Seidel & Naumann und eine von Phänomen.


Ich behaupte einfach mal, dass diese Maschinen vor der "Restaurierung" wohl relativ komplett und relativ gut erhalten gewesen sein müssen, da sie viele seltenene Originalteile aufweisen. Leider wurden sie komplett überarbeitet und können als ein gutes Beispiel dafür dienen, dass man die originalen Schriftzüge und Linien eigentlich nie mehr so gut trifft, wie sie bei der Auslieferung waren.

Irgendwas stimmt hier nicht...Neigung, Buchstaben, das G?

Ein seltenes Geschmacks-Phänomen: Glitzer, Glitter und Fingerfarben? War hier eine Grundschulklasse am Werk? 
Stellt sich die Frage: Bleibt das so? 
Diese "Restaurierungen" sind eigentlich schon wieder historisch: Zeugnisse aus der Oldtimerei der 1970er und 80er Jahre. Leider geschieht so etwas auch heute noch regelmäßig, und schöne Patina wird ausgelöscht weil jemand denkt, er müsse und könne alles in den "Auslieferungszustand" versetzen – aber den gibt's halt nur ein mal...

Zwei Mal Ford: Neu verchromt, aber wo ist das Emaille? Warum? Wieso?
Dann doch lieber original und patiniert!

Natürlich ändern meine Ausführungen nichts an der Tatsache, dass das Deutsche Museum nach wie vor sehenswert ist. Man muss die Fahrzeuge nur auf sich wirken lassen und sie im Kontext ihrer Nutzung betrachten. Und die "Restaurierungen" – na ja, die sind sind eben auch schon wieder historisch. Ob sie auch erhaltenswert sind, sei dahingestellt.