Freitag, 27. Dezember 2013

Restaurierung, was ist das und wieso?

Es erscheint geradezu inflationär: das Wort Restaurierung. In Kleinanzeigen, im Internet, in den einschlägigen Zeitschriften und beim Mithören unzähliger Gespräche auf Messen und Teilemärkten. "So einen hab ich mal restauriert..." Was sich hinter diesem unscheinbaren Wörtchen verbirgt, füllt ganze Bücherregale. Für jeden hat es obendrein eine andere Bedeutung. Offensichtlich eine komplizierte Sache also.

Nicht zu verwechseln ist die Restaurierung mit der Restauration. Wird dieses Wort im Zusammenhang mit einem wiederhergestellten Objekt (gleich welcher Art) benutzt, stehen mir die Haare zu Berge: Eine Restauration – die älteren unter uns werden sich noch erinnern – ist nichts anderes als eine Gaststätte (auch Restaurant) genannt, in der man "sich selbst wiederherstellt", also körperlich. Würde man in einer archäologischen Publikation "Restauration" verwenden, bekäme man sofort eins auf den Deckel.

Eine alte Restauration


Nun gut. Restaurierung. Kommt aus dem lateinischen restaurare, was da bedeutet wiederherstellen. Soweit so klar. Etwas zerstörtes, lädiertes, unkomplettes wird also bei einer Restaurierung wiederhergestellt. Das ergibt Sinn. Zunächst.

Die Frage, die man sich nun stellen sollte wäre, was denn nun wiederhergestellt werden soll? Welcher Zustand soll letzten Endes wiederhergestellt werden? Wie arbeiten professionelle Restauratoren im Bereich Architektur, Gemälde, Möbel, archäologische Objekte? Können wir von Ihnen etwas lernen, auch wenn bei uns letzten Endes etwas ganz anderes zählt, nämlich die Weiterbenutzung bzw. Fahrtauglichkeit.

Weitere Begriffe, die im Bereich rund um den Umgang mit altem Blech leider sehr wenig verwendet werden:

- Konservierung
- Reparatur
- Renovierung
- Rekonstruktion

Jede Gute Restaurierung beeinhaltet im Prinzip diese vier oben genannten Handlungen. Es muss also von Fall zu Fall abgewogen werden, wie man bei welchen Bauteilen vorgeht. Das hängt natürlich zum großen Teil vom Restaurator/ Besitzer, seiner Philosophie, seinem Können und seiner Brieftasche ab.

Doch kommen wir zur eigenlichen Wiederherstellung/ Restaurierung zurück. Ein oftmals angestrebter Zustand ist der Zustand als Neuwagen, bzw. besser als neu Zustand. Man will also die Uhr des Fahrzeugs zurückdrehen und es als Neuwagen wiederherstellen. Kein leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass ein Fahrzeug in erster Linie ein Gebrauchsgegenstand ist, der also folglich gebraucht, verändert, am Leben erhalten und letzen Endes verbraucht wird. Je mehr, desto länger seine Nutzungsdauer ist.

Doch wie ehrlich ist ein wiederhergestellter Neuzustand? Ist er historisch wertvoll, oder nur eine Art Egobefriedigung seines Besitzers?

Ich behaupte hier einfach mal, das sich ein Neuzustand so gut wie nicht herstellen lässt. Man kommt vielleicht nahe dran, wenn man viel Geld in die Hand nimmt und sich jahrelang in die Materie eingelesen hat. Und, ganz wichtig: wenn man so viele gut erhaltene, am besten kaum benutze Autos des gleichen Typs gesehen, studiert und dokumentiert hat.

Der wie-neu-Zustand kann angestrebt werden, doch wird er nicht erreicht. Und wenn, dann wird das Auto kaum gefahren werden. Es ist immer nur ein scheinbarer Neuzustand, denn das Fahrzeug, wie es vom Band lief, existiert nur einmal. In einer guten Restaurierung müssten theoretisch alle Schrauben, die verbaut sind in der gleichen Position wieder verbaut werden, am exakt gleichen Platz. Alle Unzulänglichkeiten des Auslieferungszustandes (und das sind eine Menge) müssten exakt so wieder hergestellt werden. Es müssten die selben Reifen wie bei der Auslieferung montiert werden, natürlich aus dem gleichen Produktionszeitraum, der gleiche Lack, nicht nur der Farbton, aber auch die Aufbringung, die Zusammensetzung... Versteht ihr auf was ich hinaus will?

Sicher diesen Trend gibt es in den USA. Vergleichsweise normale Mittelklassewagen werden in dieser Art restauriert. Der Auslieferungszustand wird versucht so gut es geht zu imitieren, mit verblüffendem Ergebnis... Die Folge ist, dass es unverhältnismäßig teuer ist, sehr lange dauert (Teilesuche) und das Fahrzeug danach nicht gefahren wird, ja nur ungern gerollt oder bewegt wird, denn es könnte sich ja was am Zustand verändern.

Was sich hauptsächlich in den Kreisen der Besitzer alten Blechs abspielt, ist eine Methode des Restaurierens, wie sie auf erschreckende Art und Weise bis in die 50er Jahre an Gebäuden, Gegenstaänden etc. angewandt wurde. Das typische Beispiel: Man nehme eine romanische Kirche aus dem elften Jahrhundert. In der Gotik bekommt sie einen Anbau und einen neuen Turm. Im Barock bekommt sie ein neues Gestühl und einen neuen Boden. Im Rokoko wird ihr eine Orgel eingebaut und neue Fresken werden angebracht. Im Klassizismus wird vielleicht moch einmal etwas verändert... Nun kommt um die Jahrhundertwende (1900) der Historismus... Hier erkennen die Leute, das das ja eine im Grunde romanische Kirche aus dem Mittelalter ist. Was ganz seltenes und wertvolles. Leider völlig "verpfuscht" durch Umbauten aus den letzten 800 Jahren. Pfui Teufel.
Es muss der originale Zustand der Erbauungszeit wiederhergestellt werden! Also wird alles nach einem willkürlichen Zeitpunkt abgerissen und abgebaut, das Bauwerk geäubert und in seinen ursprünglichen Zustand wiederhergestellt. Leider fehlen Pläne und man weiß nicht, wie der romanische Eingang und die Malereien aussahen. Aber man kann es sich ja denken und nachbauen. So entsteht eine "rein" romanische Kirche, der nun ein Ehrenplatz in Disneyland zustehen würde.

Das ist im letzten Jahrhundert sehr oft geschehen. Mich stimmt es sehr nachdenklich. Was ist da wohl an unwiederbringlicher Bausubstanz für immer verloren gegangen und welche Geschichte(n) sind da für immer ausgelöscht worden!

Nun wird der ein oder Andere sagen, dass man doch ein altes Auto und eine romanische Kirche nicht miteinander vergleichen könne. Äpfel und Birnen. Ja, das stimmt. Ich gebe es zu. Aber es kann zum Denken anregen. Man kann ja schließlich aus Fehlern lernen und es besser machen, wenn man einmal die Fehler verstanden hat.

Ein Grundsatz moderner Restaurierungstechnik/ -philosophie ist, dass man keine Disneyfikation anstreben, also: keine historische Fälschung erschaffen soll. Alles soll so gut es geht dokumentiert werden, wird was ergänzt soll es kenntlich gemacht werden, alle Fragmente, die nicht mehr  zu verwenden sind, sollen aufgehoben werden und alles soll reversibel sein, sprich: alles nachträglich Angebaute sollte sich wieder entfernen lassen ohne große Spuren zu hinterlassen. Strukturelle Veränderungen müssen zulässig sein, wenn sie die originale Substanz schützen bzw. wiederherstellen.

Kommt das jemandem bekannt vor? Ja richtig, die Charta von Turin! Wer sie kennt, oder durchgelesen hat, wird einige Punkte wiedererkennen. Die Verfasser haben sich also Gedanken gemacht und sich bei den Ansätzen professioneller Restauratoren bedient. Zum Glück, es wurde Zeit.

Das Ziel wäre schon halb erreicht, wenn sich die Besitzer von rollendem Kulturgut mehr Gedanken machen, und sich in ihre Fahrzeuge "reindenken" würden. Die Überlegung sollte immer lauten, was kann ich tun, dass soviel originale Substanz wie möglich erhalten bleibt und welchen Zustand des Fahrzeugs möchte ich erreichen und warum. Wie schaffe ich es, ein authentisches Fahrzeug zu besitzen, das funktioniert und historisch wertvoll ist, ohne schäbig auszusehen? Antworten auf große Fragen wie diese muss letzten Endes jeder selbst finden. Doch wir Patinatoren helfen natürlich gerne beim Nachdenken ;-)

Donnerstag, 28. November 2013

Ein Deutz mit braunem Tucker, bitte!

Wenn sich in einem Pfälzer Dorf vier oder fünf Landmaschinen-Enthusiasten zusammenfinden, gründen sie erst mal einen Verein. Organisatorisch derart ausgestattet, besuchen sie dann an den Sommerwochenenden die verfreundeten Gemeinden im Umfeld ihrer Gemarkung; "Traktortreffen" nennen sich diese Fußballplatz-Volksfeste, und sind sich allesamt auffallend ähnlich: Ordentlich aufgereiht stehen die Maschinen zwischen Tor und Tor, als ob sie ihren aufwühlenden Charakter verschleiern müssten. 

Ich mag diese Treffen. Schon weil man auch mit einem Trabant 1.1 willkommen ist, und für die Teilnahme sogar noch ein Geschenk bekommt – aber das ist eine andere Geschichte. Ich mag sie vor allem deshalb, weil hochglänzende Glühkopf-Lanz unbedingt einen Gegenpol brauchen, der "Patina" heißt.

Wie sehr sich Landmaschinen-Patina aber von Pkw-Gebrauchsspuren unterscheiden kann (und darf), zeigt dieser Deutz F1 M414, den ich auf dem diesjährigen Treffen der Oldtimerfreunde Dannstadt-Schauernheim entdeckt habe: Technisch fit, optisch gründlich eingewachst.

Warum hätte man den Deutz auch lackieren sollen? Vom Sommerwind geformt und von der Sonne gezeichnet, hat er wahrscheinlich jahrzehntelang draußen geparkt und – ähem – geackert. Den Sitz umhüllt ein Kartoffelsack, damit sich Bauer Alois beim Umhertuckern nicht den Allerwertesten versengt: Die Pfälzer Sonne schien schon immer wärmer vom Himmel als ihre Kollegin in der Lüneburger Heide. 








Samstag, 19. Oktober 2013

Auf Achse nach Amiens!

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Die deutsche Vorkriegsszene hat ein Nachwuchsproblem. Warum? Nun, vielleicht, weil uns grau bekittelte Opis über Jahrzehnte eingetrichtert haben, dass Autos mit frei stehenden Kotflügeln glänzen müssen wie Uschi Glas, und sowieso zum Fahren zu schade sind.

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Die Vintage- und Cyclecar-Szene gibt sich da erfreulich schmerzfrei: Substanz zu konservieren ist hier Bestandteil der Gesamtphilosophie, und selbst restaurierte Fahrzeuge werden nicht ständig blank geputzt – schließlich wollen die Herrschaften ja möglichst viel und weit fahren.

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Auf Achse zu Treffen zum Beispiel. Das dauert zwar mitunter mehrere Tage, scheint aber enorm Spaß zu machen: Stefan Marjoram hat seinen Road Trip zum hundertjährigen Jubiläum des Grand Prix von Amiens in Bild und Film dokumentiert – zieht's euch rein!


Freitag, 18. Oktober 2013

Wertevernichten leicht gemacht: Das Beispiel 300 SL

Bild: Hemmings
Dass eine Testfahrt mit einem 300 SL im Straßengraben endete und 650.000 Euro Sachschaden verursachte, rang mir vor einigen Monaten nur ein müdes Schulterzucken ab. Bin ich etwa zu herzlos? Zu abgebrüht? Gar ignorant? Vielleicht von allem ein bisschen.

Besonders da ich weiß, in welchem Ausmaß die 300 SL-Klientel ganz selbstverständlich Werte vernichtet. Durch "Restaurierungen" nämlich. Paradebeispiel: Einer von 29 Leichtbau-SL, von dem der Hemmings Blog erzählt.


Resurrection - Car Arrives at the Shop from Rudi & Company on Vimeo.

Der Erstbesitzer hatte den Wagen 1955 von seinen Eltern zum College-Abschluss geschenkt bekommen und fuhr ihn bis in die 70er Jahre. Dann scheiterte eine Reparatur am Antriebsstrang – und der SL blieb 40 Jahre lang in der Garage stehen. Außenrum sammelte sich Krempel an, Staub legte sich auf dem dunkelblauen Lack nieder.


Resurrection - Day 4 of Restoration from Rudi & Company on Vimeo.

Über verschiedene vermittelnde Instanzen gelangte der Wagen in die Fänge seines neuen Besitzers, der in Santa Monica zu Hause sein soll. Sicher wohlhabend, der Mann. Oder jedenfalls wohlhabend genug, um die sichtbare Geschichte des Wagens von einer Restaurierungsfirma komplett auslöschen zu lassen. Der schrittweise Niedergang ist in mehreren Videos gut dokumentiert. Wobei ich zugeben muss, dass ich das Trauerspiel nicht bis zum Schluss verkraftet habe...

Noch erzielen Hochglanz-SL Höchstpreise. Aber auch der Flügeltürer wird bald dem Trend zur Patina folgen müssen. Ob der Herr aus Santa Monica nicht nur wohlhabend, sondern auch langmütig genug sein wird, sich dann nicht zu sehr zu ärgern?

Sonntag, 9. Juni 2013

Der Kaffeeverkäufer: NSU-Fiat 500 C Kombi

Hochhackiger Imbisswagen war gestern: Am Heck dieses NSU-Fiat 500 C Topolino begegnen sich geschäftstüchtiger Kaffeeverkäufer und aromabewusster Konsument endlich auf Augenhöhe. Was vorrangig an dem Heilbronner Exil-Italiener liegt: Den findet so ziemlich jeder knuffig. Und dann sieht er auch noch aus, als sei er gerade erst aus einer Scheune gezerrt worden – bewusst oder unbewusst weckt das Phantasien. Auf Messen und Großveranstaltungen in ganz Deutschland ist der Kaffee-Topolino deshalb anzutreffen, ich entdeckte ihn auf der Leipziger Buchmesse.

Die Blechsubstanz des Wagens scheint gar nicht so schlecht zu sein: Mit ein wenig Arbeit ließe sich der Exil-Italiener bestimmt auch wieder auf die Straße bringen – was ein guter Plan wäre, denn den 500er Kombi gab es in dieser Form nur in Deutschland. Rost im Schwellerbereich und am Bodenblech ist Topo-typisch und ließe sich beheben, ohne die Grundsubstanz sichtbar anzugreifen.

Aber: Dellen in den Radkappen? Aufkleber-Reste in Badenixen-Form auf der Motorhaube? Matter Lack? Das gehört wohl eher zum Charakter – vollrestaurierte Topolinos gibt es schließlich genug, und dieser erzählt wohl offen von der Sturm-und-Drang-Zeit seines Vorbesitzers. Dass die Heißgetränk-Firma das Faltdach durch eine Art Podest ersetzt hat und die Werbung auf den Türen "ordentlichen Bohnenkaffee" verspricht, fällt da kaum mehr auf.

Bevor ich wieder ging, wollte ich dann aber doch noch genaueres über den Topo und seine Wirkung wissen. So fragte ich den beschürzten Mann am Koffein-Auswerfer, ob er denn des öfteren auf den Fiat angesprochen werde. Antwort: „Nee, die Leute wollen alle nur Kaffee trinken…“ Nun ja – ich glaube, hier verkauft kräftige Patina kräftig mit!


Tipp: In Auto Classic 4/2013 könnt ihr eine ausführliche Topolino-Kaufberatung nachlesen!

Sonntag, 31. März 2013

Außen pfui, innen hui: Jonathan Ward und seine Derelicts

Bild: ICON/Chevrolet 1952 Styline Deluxe Coupe Derelict

Die Tuning-Szene kennt sie als "Ratten": Scheinbar verwahrloste Autos, die unter ihrer ranzigen Hülle frische Technik verbergen. Und meistens auch ein paar zusätzliche PS.


The Derelicts a short film by eGarage from eGarage on Vimeo.

Der Kalifornier Jonathan Ward geht mit seiner Firma ICON noch einen Schritt weiter: Seine "Derelicts" sehen aus wie Patina-Queens – und das waren sie auch mal. Kaum verbrauchte Originale, die unter günstigen Bedingungen sichtlich altern konnten, ohne strukturell zu verfallen. Ward verpflanzt ihnen moderne Technik unter die sonnengebürsteten Blechhaut. Außen pfui, innen hui: In seinem 52er Chrysler Town & Country (mit De Soto-Front!) schlummern nicht weniger als 425 PS.



Ward spürt in ganz Amerika patinierte Autos auf, strickt sie um, und macht aus ihnen individuelle Style-Maschinen, die sich dank ihrer modernen Technik im Alltag bewegen lassen. Neu ist das nicht, eher eine moderne Interpretation des Customizing-Gedankens.

Autofans staunen, die Patinatoren weinen.

Lesenswert: Auto Bild berichtete in Heft Nr. 3/2013 über die Derelicts. Titel: "Die perfekte Patina"...


Gourmet Films Presents "Icons & Derelicts" Part 2 from Gourmet Footwear on Vimeo.

Montag, 25. März 2013

Wie konserviert man eigentlich einen Le Mans-Sieger?

1967 gewannen Dan Gurney und A.J. Foyt mit dem All-American Racers-Team die 24 Stunden von Le Mans. Ihr Siegerauto, ein Ford GT 40 Mk. IV, steht heute im Henry Ford-Museum in Dearborn. Chefkonservator Matt Anderson erklärt in diesem Video die Geschichte des Wagens, warum er noch in unberührtem Zustand ist – und warum nun doch Hand angelegt werden muss: Beim Transport nach Goodwood letztes Jahr erlitt der GT einen leichten Transportschaden. Den repariert indes kein geringerer als...Dan Gurney's All-American Racers!