Es war ein schöner Julitag vor vier Jahren, als ich von einem Pariser
Freund – ein eifriger Peugeotfahrer und -kenner – einen
denkwürdigen Anruf erhielt. Worte wurden zwischen Paris und der Pfalz (meiner Heimat) gewechselt, die Freunde alter Fahrzeuge zu den wildesten Gedanken
hinreißen: "Peugeot 204 Limousine im Elsaß entdeckt, nur 9770 Kilometer
gelaufen, Baujahr 1967, steht seit einer Ewigkeit, muss schnell weg,
haste Interesse?" Es kam überfallartig, eigentlich war ich über und über
mit Projekten eingedeckt und kein besonderer Peugeot-Fan, aber mein
Jagdinstinkt war geweckt. Ich bekam noch einige verschwommene
schlechte Bilder des Scheunenfundes per Mail und plante das Vorgehen.
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Der unfassbare Kilometerstand |
Im Detail hieß das: Kontakt mit dem Veräufer aufnehmen, einen Anhänger organisieren und zwei begeisterte Freunde aktivieren. Die Fahrt ging ins malerische Guebwiller, Département Haut Rhin, in ein beschauliches 1960er Jahre-Wohngebiet. Als wir an der angegebenen Adresse ankamen, stand bereits der 89 Jährige Nachbar und der Verkäufer auf der Straße. Der Verkäufer, ein sympathischer junger Immobilienmakler (habe ich "sympathisch" und "Immobilienmakler" gerade wirklich in einem Satz geschrieben?!?), der hier ein Haus kaufte und einige Tage später herausfand, dass eine unten an der Straße gelegene Garage dazugehörte...
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"État d'origine exceptionnel, dans son jus", wie der Franzose sagt |
Wir öffneten die alten Holztore und muffige, feuchte Luft schlug uns entgegen. Da stand der Peugeot.
Wie ein Wagen mit 9770 Kilometern auf dem Zähler sah er auf den ersten Blick überhaupt nicht aus: Rost an den Radläufen, rostige Felgen, und ein pelziger Schimmel-Überzug über dem rot-schwarzen Interieur, das ich aus Louis de Funès-Filme der 60er Jahre zu kennen glaubte. Mit Verlaub, aber das dünne schwarze Plastiklenkrad sah aus wie ein Camembert. Hmm, schnell noch mal auf den Tacho geschaut: Doch, Tatsächlich, 9770 Kilometer. Sollte der Zähler irgendwann hängen geblieben sein? Nach einem zweiten, gründlicheren Blick auf die Pedalerie und die Gummimatten zeigte sich, das alles neuwertig aussah. Auch das im Wagen gefundene Scheckheft bestätigte:
Der letzte Ölwechsel datierte auf 1976, durchgeführt bei 9500 Kilometern!
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Fundzustand "à la française": Camembertlenkrad an Leopardenfellimitat im eigenen Saft |
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Inzwischen erläuterte der nette 89-jährige Nachbar in schönstem Elsässisch meinen helfenden Freunden die Geschichte... Er konnte sich nicht erinnern, wann er den Wagen das letzte Mal gesehen hat. Gewiss, er kannte ihn, aber er hatte geglaubt, der Wagen sei längst verkauft worden. Nun, das Haus, das der junge Makler erstanden hatte, gehörte einem Mann, der 1923 geboren wurde. Er lebte in dem Haus zusammen mit seiner zwanzig Jahre jüngeren Schwester, und dies wohl schon seit den 1960er Jahren. Die beiden waren verschlossene, schweigsame Leute. Als kurz nach Weihnachten 2008 der Postbote bei besagtem Nachbar klingelte, da im Briefkasten seiner Nachbarn kein Platz mehr war, kam die Sache ins Rollen: Man benachrichtigte die Polizei, Verwandte gab es nicht, und brach das Haus auf. Die Beamten fanden ein erschreckendes Szenario vor: Der alte Mann lag tot auf dem Boden, wohl erfroren, da aus Geiz nicht geheizt wurde. Die Frau lag völlig dehydriert auf dem Sofa, und verstarb Tage darauf im Krankenhaus. Da keine Verwandten oder Nachkommen existierten, kam Caritas und räumte das Haus aus. Darunter wohl leider auch die Schlüssel und Papiere des Peugeot... Sehr bedauerlich... Dann kaufte der Makler das Anwesen, stieß im Juli auf die Garage, und kurze Zeit später kam ich ins Spiel.
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Kompressor und Rangierwagenheber im Einsatz |
Die Bergung des Wagens war ein Ereignis für sich. Alle 4 Reifen waren platt. Zum Glück hatten wir einen Kompressor dabei, die Reifen hielten die Luft. Was uns wenig nützte, denn alle vier Bremsen waren fest. Die vorderen Räder konnten wir nach Ausbau der Bremsbeläge (Scheibenbremsen) wieder drehen, hinten hatten wir aber keine Chance. Kofferaum und Lenkschloss waren abgeschlossen, der Schlüssel von Caritas entsorgt worden. Also balancierten wir den Peugeot mit zwei Rangierwagenhebern, Muskelkraft und Stoßgebeten aus seiner Garage auf den Hänger.
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Gott sei Dank ließen sich wenigstens die Vorderräder drehen |
So verließen wir den Schauplatz der spektakulären Bergung, und ich war unverhofft Eigner eines 1967er Peugot 204 mit 9770 Kilometern auf der "Uhr" geworden. Zuhause angekommen, fing ich mit der Bestandsaufnahme an und wusch ihn zunächst gründlich von außen.
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Nach dem ersten Waschgang auf der Bühne |
Was sich unter dem Dreck der Jahrzehnte verbarg, war spektakulär:
Ein Wagen, der nach der Reinigung äußerlich wirklich fast wie ein Neuwagen aussah, mit Ausnahme des Kantenrosts an den Radläufen und den Schwellern. Doch wie schlecht es um die Technik bestellt sein sollte, konnte ich zu diesem Zeipunkt noch nicht erahnen.
Davon und von der Wiederbelebung des kleinen Peugeot werde ich im nächsten Teil der Geschichte berichten!
Sehr schön! Ich freue mich darauf, mehr darüber zu lesen. Ich habe einfach ein Faible für die Fahrzeuge der 60er Jahre.
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