Sonntag, 31. März 2013

Außen pfui, innen hui: Jonathan Ward und seine Derelicts

Bild: ICON/Chevrolet 1952 Styline Deluxe Coupe Derelict

Die Tuning-Szene kennt sie als "Ratten": Scheinbar verwahrloste Autos, die unter ihrer ranzigen Hülle frische Technik verbergen. Und meistens auch ein paar zusätzliche PS.


The Derelicts a short film by eGarage from eGarage on Vimeo.

Der Kalifornier Jonathan Ward geht mit seiner Firma ICON noch einen Schritt weiter: Seine "Derelicts" sehen aus wie Patina-Queens – und das waren sie auch mal. Kaum verbrauchte Originale, die unter günstigen Bedingungen sichtlich altern konnten, ohne strukturell zu verfallen. Ward verpflanzt ihnen moderne Technik unter die sonnengebürsteten Blechhaut. Außen pfui, innen hui: In seinem 52er Chrysler Town & Country (mit De Soto-Front!) schlummern nicht weniger als 425 PS.



Ward spürt in ganz Amerika patinierte Autos auf, strickt sie um, und macht aus ihnen individuelle Style-Maschinen, die sich dank ihrer modernen Technik im Alltag bewegen lassen. Neu ist das nicht, eher eine moderne Interpretation des Customizing-Gedankens.

Autofans staunen, die Patinatoren weinen.

Lesenswert: Auto Bild berichtete in Heft Nr. 3/2013 über die Derelicts. Titel: "Die perfekte Patina"...


Gourmet Films Presents "Icons & Derelicts" Part 2 from Gourmet Footwear on Vimeo.

Montag, 25. März 2013

Wie konserviert man eigentlich einen Le Mans-Sieger?

1967 gewannen Dan Gurney und A.J. Foyt mit dem All-American Racers-Team die 24 Stunden von Le Mans. Ihr Siegerauto, ein Ford GT 40 Mk. IV, steht heute im Henry Ford-Museum in Dearborn. Chefkonservator Matt Anderson erklärt in diesem Video die Geschichte des Wagens, warum er noch in unberührtem Zustand ist – und warum nun doch Hand angelegt werden muss: Beim Transport nach Goodwood letztes Jahr erlitt der GT einen leichten Transportschaden. Den repariert indes kein geringerer als...Dan Gurney's All-American Racers!

Mittwoch, 20. März 2013

Gekauft, verbraucht, vergessen – Goliath GP 700

An irgendeinem Punkt seines Lebens war jeder Oldtimer ein einfacher Verbrauchtwagen – besonders dann, wenn er ein ladefreudiges Kombi-Heck trug. So wie dieser Goliath GP 700 (ab 1952 als Kombi erhältlich), schätzungsweise Anfang der 70er Jahre in einer niederländischen Stadt fotografiert. Von Pflichterfüllung gezeichnet, hat ihn die Schönheit seiner klaren Form längst verlassen – die junge Frau, die da behände ihren Kinderwagen durch den oberen Bildrand schiebt, wird sich wohl gefragt haben, was es an einer so wüst vergammelten Karre zu fotografieren gibt...

SP-99-49 Goliath GP700 Kombi 1955
Photo Credit: Ted Xopl2009 via Compfight cc

Über 40 Jahre ist das jetzt her, der Goliath sicher längst verschrottet. Und was lernen wir daraus? Vielleicht, dass nach der Auslieferung eines Autos die Zeit nicht einfach stehen bleibt...

SP-99-49 Goliath GP700 Kombi 1955
Photo Credit: Ted Xopl2009 via Compfight cc

Donnerstag, 14. März 2013

Familienerbstück: Stutz DV-32 von 1932

In diesem Video stellt der amerikanische Sammler Jim Callahan seinen 1932er Stutz DV-32 Custom Lebaron Sedan vor. Ein "survivor", ähnlich dem kürzlich hier vorgestellten Brezelkäfer aus Schweden.

Der Tachostand von nur 23.000 Meilen macht den raren Luxus-Amerikaner besonders begehrenswert – zum Farbtopf zu greifen hieße, ihn zu entwerten.



Callahan erzählt die Biographie des Wagens: Von einem wohlhabenden Ingenieur aus Chicago als "Zweitwagen" neben einem Nash angeschafft, musste der Stutz schon 1939 eingemottet werden, weil sich nur für ein Auto Reifen beschaffen ließen. Als der Besitzer 1975 starb, war er bereits ein mal mit seinem Auto nach Rockford/Illinois umgezogen – ohne es jemals wieder zu fahren. Seine Tochter setzte die "Tradition" fort, brachte den Wagen in ihre Garage nach Wisconsin, und hob ihn dort bis 2012 auf.

"It's an exquisite piece of art", sinniert der glückliche Besitzer. Recht hat er!

Montag, 11. März 2013

Restaurierung Opel 1,3 Liter Teil II

Ich melde mich zurück mit dem zweiten Teil der Restaurierung meines 1934er Opel 1,3 Liter. Nachdem ich euch im ersten Teil geschildert habe, wie ich an den alten Rüsselsheimer geraten bin, will ich nun auf seine Geschichte eingehen.

(Hinweis: Wir wissen momentan nicht, warum die Bilder hier so unscharf dargestellt werden – wenn ihr sie anklickt, sind sie einwandfrei!)

Mit dem Erwerb eines alten Fahrzeuges ist ja oftmals auch der Erhalt von alten Fahrzeugpapieren und dergleichen verbunden – die erste Quelle, wenn es um die viel beschworene "Historie" geht. Je älter das Fahrzeug ist, und je mehr Kriege dazwischen liegen, desto geringer ist aber die Chance auf Vollständigkeit – oder die Aussicht darauf, überhaupt solche Dinge wie Schlüssel, Betriebsanleitung, Papiere, Werkstatthandbücher, Prospekte etc. zu bekommen.


So war ich bereits überglücklich, dass ich mit dem Auto auch einen Satz Vorkriegsschlüssel und immerhin den Fahrzeugbrief bekam – der leider erst 1946 von der französischen Militärregierung ausgestellt wurde (zur Erinnerung: wir befinden uns in Rheinland-Pfalz).


Durch ausgiebige Veteranen-Teilemarktbesuche und regelmäßiges Stöbern im Netz, sowie durch Kontakte mit anderen Besitzern betagter Opel gelang es mir schließlich, ein beachtliches Paket zeitgenössischer und originaler Literatur zusammenzutragen: Ehe man anfängt, auch nur irgend etwas am Auto zu tun, sollte eine gute Palette an Literatur parat liegen!


Besonders Betriebsanleitungen, Werstatthandbücher und Teilekataloge sind Gold wert. Etwa, wenn man fehlende Teile aufspüren will, sehen will, wie sie ausgesehen haben, oder wie sie montiert waren. Auch wenn man mit dem Auto eine Kiste Ersatzteile dazu bekommt, lassen sich diese anhand der Listen klassifizieren und benennen. Zu sehen, was die Teile 1934 neu bei Opel gekostet haben ist aufschlussreich und nur dann blöd, wenn gerade keine Zeitmaschine zur Hand ist.


Der zweite Schritt – noch vor einer Reinigung! – ist für mich eine gründliche Bestandsaufnahme des Wagens. Das ist vergleichbar mit der archäologischen Erkundung eines Geländes mit Bodendenkmälern, die "Survey" genannt wird. Weil ich diesen Begriff sehr passend finde, gebrauchte ich ihn auch immer im Zusammenhang mit meinen Restaurierungsprojekten.


Solch ein Survey beinhaltet im besten Fall das Fotografieren des Objekts und so vieler Details wie möglich, auch aus so vielen Perspektiven wie möglich. Am besten, man schreibt auch gleich auf, was einem beim gründlichen Betrachten einfällt: Was fehlt, was kaputt ist, was möglicherweise nicht original ist, oder was merkwürdig erscheint. Skizzen haben auch noch niemand geschadet.




Der erste Eindruck meines Opel bestätigte sich: Laut Brief wurde er 1949/50 das letzte Mal im Straßenverkehr bewegt. Er schlummerte also rund 56 Jahre einen Dornröschenschlaf, bevor er zu mir kam. Bis auf wenige demontierte Teile – die der Vorbesitzer abgeschraubt hatte, ehe er es aufgab, das Auto zu restaurieren – stand der Wagen nun genau so vor mir, wie er anno 1950 abgestellt wurde.

Den Beweis fand ich beim Zerlegen der hinteren Sitzbank, wo ein Mäusenest mit Zeitungen von 1953 ausgepolstert war: Der Wagen war wohl zu dieser Zeit schon abgestellt, und die Mäuse konnten sich in Ruhe austoben! Ein weiteres Indiz war, dass der Opel noch seine originalen Winker hatte, die normalerweise spätestens Ende der 1950er Jahre entfernt wurden: Dieser Opel hatte noch nie Blinker gehabt.


Am interessantesten fand ich den Motor. Normalerweise – der Name sagt es bereits – besaß der 1,3 Liter einen seitengesteuerten Motor mit 1300ccm Hubraum. Hier jedoch fand sich ein blauer, kopfgesteuerter 1500er aus dem Opel Olympia, der mit seinen 38 PS im Gegensatz zum 24 PS-Originalmotor eine wahre Rakete sein musste.

Nein, ich habe fortan nicht nach einem 1,3 Liter-Aggregat gesucht: In den Papieren von 1946 war der Oly-Motor bereits eingetragen, was ihn zu einer legitimen, historisch dokumentierten Veränderung machte, die m.E. unbedingt erhalten werden musste. Ganz zu Schweigen vom Mehr an Fahrspaß und der besseren, haltbareren Technik. Und mit Baujahr 1939 ist der Motor für das Auto auch nur fünf Jahre zu jung.



Die Karosserie war erstaunlich komplett: nur das Holz-Skelett, das unter dem Blech für Stabilität sorgt, war stellenweise weggefault. Das schreckte letzten Endes auch den Vorbesitzer ab, den Wagen zu restaurieren.

Einige kuriose Dinge, die sich allerdings erst einige Zeit später klärten, will ich hier schon vorweg nehmen. Die hintere Stoßstange passte nicht zum Wagen und gab mir Rätsel auf. Die originalen Stoßstangen sind glatt und rundlich an den Ecken; diese hier war eckig, besaß Rillen, und hatte in der Mitte eine Schweißnaht. Mittlerweile weiß ich, dass es sich um eine umgebaute Stoßstange eines Opel Kapitän 1938 handelt, die einfach in der Mitte auseinander gesägt, der Breite des schmaleren 1,3 Liter angepasst und zusammengeschweißt wurde.


Beim Betrachten der Rücklichter, die noch auf ihren originalen Stielen sitzen, fällt auf, dass das linke noch das originale von 1934 ist. Mit Chromrahmen, eingeprägtem Opel-Schriftzug und farbigem Zelluloid darin. Das Rechte hinggegen ist ein 1-2 Jahre jüngeres Opel-Rücklicht. Der Stiel des rechten Rücklichtes stellte sich dann auch als eine Konstruktion aus zölligem Wasserrohr heraus, was wohl so gegen 1937 angefertigt worden sein muss, da in diesem Jahr die StVZO geändert wurde: Alle PKW im Deutschen Reich mussten nun zwei Rücklichter am Heck tragen, vorher genügte eines. Eine weitere Änderung schrieb eine blaue Fernlicht-Kontrollleuchte am Armaturenbrett vor – die kennt man ja heute noch. Auch sie wurde bei meinem Opel ergänz und ist noch mit D.R.G.M (Deutsches Reichs Gebrauchsmuster) gemarkt.

Ansonsten war alles erstaunlich komplett. Die Schalter am Armaturenbrett, originale Gummis, Beschläge etc... Leider fehlte die vordere Stoßstange komplett, die Kühlermaske war komplett deformiert, und durch ein improvisiertes Kühlergitter total beschädigt worden. Desweiteren fehlten die Kühlerfigur, das 1,3-Kühlerschild, die Radkappen, sowie etliche Kleinigkeiten. Doch darüber würde ich mir später noch den Kopf zerbrechen.

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei meinem Auto um den frühesten bekannten Opel 1,3 Liter. Dies zeigte sich auch an diversen Details, die so an jüngeren Exemplaren nicht zu finden sind. Anders geprägte Kotflügel vorne, die Heckklappe aus einen dicken Alublech tiefgezogen (statt wie bei späteren Modellen aus zwei Blechteilen verschweißt), und weitere kleine Details.

Bei näherer Untersuchung wurde klar, dass der Wagen ursprünglich mit schwarzem Lack das Werk in Rüsselsheim verlassen hatte. Jetzt aber trug er Grau. Nun, an einigen Stellen platzte der dicke graue Lack ab, und zeigte den sehr gut erhaltenen und glänzenden schwarzen Lack darunter. Der graue Lack wurde auf der ganzen Außenhaut großzügig verteilt, ohne viel abgeklebt oder abgebaut zu haben –Chromteile, Dichtungen etc. wurden einfach mitlackiert.

Vermutlich kann gesagt werden, dass es sich um eine schnell aufgebrachte militärische Lackierung in Feldgrau handelt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde der Wagen während des Krieges durch das Militär, den Luftschutz o.ä. eingesetzt. Viele private PKW wurden damals von der Regierung requiriert, also ohne Entschädigung eingezogen und für militärische Zwecke genutzt. Leider fanden sich keine eindeutigen Hinweise auf eine militärische Verwendung, bis auf den Lack und Hinweise auf schweren Geländeeinsatz: hoch liegende Rahmenteile wiesen Beulen und Schürfspuren auf, Lehm und Ackerboden war kiloweise in den Rahmentraversen zu finden.

Noch ein Wort zur militärischen Farbgebung: Die war gegen Mitte/ Ende des Krieges wohl nicht mehr so standardisiert wie am Anfang; es ging nur noch darum, einen grauen/grünen, stumpfen Farbton auf das ganze Auto aufzutragen, damit nichts mehr funkeln und glänzen könnte, was in der Sonne (und angestrahlt bei Nacht) verräterisch wäre.



Fest steht nur, das der Wagen wohl an der "Heimatfront" benutzt wurde, denn sonst hätte er kaum in Westdeutschland überlebt und wäre mit allergrößter Wahrscheinlichkeit irgendwo im Osten geblieben.

Nun habe ich schon wieder viel geschrieben, und dabei noch nicht eine Schraube aus dem Fahrzeug gedreht. Alles Absicht: Ich möchte vor allem verdeutlichen, wie wichtig es ist, sich mit dem Restaurierungsobjekt auseinanderzusetzen, bevor man schließlich Hand anlegt. Eins ist sicher: Nach solch einer detaillierten Betrachtung hat man einen ganz anderen Zugang zum Fahrzeug und respektiert es in seiner Gesamtheit und seiner "erlebten" Geschichte um so mehr.

Bald geht es weiter mit dem Start der Restaurierung – ich hoffe, dass Euch der Bericht bis jetzt gefallen hat.

Donnerstag, 7. März 2013

Auf eine Knitterpartie mit zwei Cisitalia

Im Februar bin ich immer ganz aufgekratzt. Immer dann, wenn der Besuch der Rétromobile in Paris ansteht. Mit nur 400 Ausstellern und 80.000 Besuchern ist die Messe im 15. Pariser Arrondissement recht überschaubar – aber sie hat Klasse, und die großen Auto-Happenings in Essen und Stuttgart wirken im Vergleich fast schon vulgär, finde ich.


Paris ist aber nicht nur die große, teure, abgehobene Welt schillernder Delahaye und Bugatti. Auf der Rétromobile finden auch all jene ein Forum, die sonst übersehen werden – hier erzählen sie ihre oft feinsinnigen Geschichten.



Wie passend, dass auch in Paris der Trend zur Patina geht: Sogar für Extremfälle scheint hier das Publikum schon bereit, und ließ in diesem Jahr bei diesen beiden Cisitalia seine Fotoapparate staunend auf Tuchfühlung gehen. Der italienische Besitzer bot die Renner zwar zum Verkauf an, sparte sich aber das Preisschild. Und musste schon am zweiten Tag zwei „Nicht berühren!“-Schilder auf den Hauben drapieren: Akkurat zerknitterte Außenhäute die diese senken eben auch die Anfass-Hemmschwelle beim Publikum...



Er besitze die beiden Cisitalia schon seit 30 Jahren, erzählte mir der freundliche Verkäufer. Restaurieren wollte er sie nie. Während der dunkelgraue Ex-Bolide noch eher wie das Restaurierungsobjekt wirkt, das er tatsächlich ist, wünschte ich mir den roten sofort auf eine Rennstrecke: Mit restaurierter Technik und unberührtem Äußeren. Und mit mir hinterm Steuer, natürlich.




Während ich so vor mich hin sinnierte, fragte ich mich plötzlich, ob dieser rudimentär dekorierte Verkaufsstand nicht auch eine Kunstinstallation sein könnte: Ein Statement für eine Knitterpartie, die es in dieser sonst so schillernden Auto-Welt normalerweise nicht geben dürfte. Ich glaube, in Paris hätte so etwas durchaus seinen Platz...