Wir haben in letzter Zeit vor allem auf
Facebook viel Lob für den Blog und unsere Posts erhalten – und das freut uns natürlich riesig!
Vor allem aber wurde uns immer wieder die Frage gestellt, wie wir denn eigentlich konkret vorgehen, um Patina zu erhalten. Diesem Wunsch nach Aufklärung will ich mit diesem neuen Beitrag entsprechen; er zeigt keine Universal-Methode, sondern ein
Fallbeispiel, denn jedes Patina-Projekt ist anders und verlangt nach Einzelfall-Entscheidungen.
Das ist meine kleine
Adler M200 von 1953. Ich
habe sie mir wegen ihres schönen Original-
Zustandes gekauft. Das mag sich den meisten Oldtimerfreunden aufgrund dieser Bilder nicht gleich erschließen, weil sie doch etwas ramponiert aussieht – aber sie ist
fast komplett, seit 1962 stillgelegt, und sie trägt ihren – zugegebenermaßen strapazierten und verwitterten – Originallack "Adler Fischsilberblau". Eine traumhaft schöne Farbe, die seinerzeit die Konkurrenz reichlich mit ihrem ewigen Weinrot und Schwarz recht altbacken aussehen ließ.
Eine Adler in diesem Blaumetallic und eben im Originallack zu finden ist reichlich schwer, da er damals natürlich teurer als schwarz war und sich schon zwei Generationen von "Restaurierungswütigen" über diese Maschinen hergemacht habem.
Ein alter Metalliclack hat seinen eigenen Charme. Er glänzt eher seidenmatt, hat ganz andere Metallic-Partikel als heutige Lacke.
Vor allem aber handelt es sich um einen Einschicht-Metalliclack – den gibt es heute, zumindest in Deutschland, nicht mehr. Der Lack auf Wasserbasis muss mit hochglänzendem 2K Klarlack überlackiert werden, was erstens eine recht dicke Lackschicht bedingt, und zweitens einen speckschwartenartigen Glanz verursacht.
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Das vordere Schutzblech ist verbeult, rostig und teilweise überpinselt |
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Auch der Tank hat teilweise hellblaue Pinsel-Farbe abgekriegt |
Da nun dieses Motorrad noch mit Pappbrief und dem originalen Motor
ausgestattet ist und ich Potential in der Lackerhaltung erkannte, will ich nun anhand des vorderen Schutzblechs einmal demonstrieren, wie man in der Praxis mit altem, verwittertem und problematischem Lack umgeht, der zudem noch teilweise überpinselt ist.
Der Kotflügel sieht ziemlich mitgenommen aus und man erkennt, dass
vorne links (in Fahrtrichtung) sich ein großer hellblauer Fleck fast über die ganze Seite erstreckt. Ebenso zeigt sich, dass mittig ein Aufkleber oder ähnliches mit einer markannten Silhouette angebracht war: die berühmte
Veedol-Eisläuferin aus den 50er Jahren. Kurzum: Allzu rosig sieht die Sache zunächst nicht aus. Die hellblaue Farbe scheint eine Art Rostschutz zu sein, der auf eine Beschädigung aufgepinselt wurde; beim abtasten mit der Hand ist auch eine leichte Impression zu spüren, also ein kaschierter Schaden.
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Der gleiche Befund lässt sich auch am Tank beobachten |
Der erste Schritt ist natürlich die Demontage des Kotflügels vom Motorrad.
Sorgfältig, als sei er frisch lackiert: Nichts verkratzen und nicht ohne eine weiche Unterlage auf den Boden legen! Der nächste Schritt ist eine gründliche Reinigung von außen und von innen mit reichlich
warmem Wasser und etwas Spüli. Das ist ungefährlich und man erkennt erst mal genauer, was Sache ist.
Der Dreck der Jahrzehnte im Inneren des Kotflügels ist hartnäckig. Jetzt heißt es stark bleiben und nicht den Dampfstrahler einsetzen:
Einweichen, befeuchten, mit einer weichen Spülbürste vorsichtig schrubben, und der Dreck geht ab. Wo er hartnäckiger ist, hilft auch ein
Plastikspachtel, oder auch
ganz feine Stahlwolle und viel Spüli. Durch den Schaum wirkt die Stahlwolle kaum abrasiv und das, was noch vom Originallack vorhanden ist, wird nicht entfernt.
Hier der Blick von hinten auf den Kotflügel. Er wurde beidseitig aufgebogen (eine gängige Veränderung bei diesen Adler-Maschinen), um das Spritzwasser abzulenken.
Die Folgen dieses unsachgemäßen Umbaus sind ein Riss und abgeplatzter Lack. Auch hier wurde auf der rechten Seite mit der bereits bekannten blauen Farbe gewütet. Die muss irgendwie runter, sonst kann keine Aussage über die Lackerhaltung darunter gemacht werden.
Das Prozedere ist im Prinzip immer ähnlich, von Fall zu Fall jedoch sehr verschieden.
Grundregel: Tastet euch vom sanftesten zum aggressivsten Reinigungsmittel langsam heran. Wenn ihr nicht sicher seid, dass sich der Lack mit eurem Mittel verträgt, dann prüft es an einer unsichtbaren Stelle, z.B. auf der Innenseite.
Ich habe mich zunächst für eine mechanische Entfernung der blauen Rostschutzfarbe entschieden, da ich bemerkte, dass sich der Lack bereits ablöst, bzw. absplittert. Da der Originallack offensichtlich nicht angeschliffen wurde, ist der hellblaue Lack keine strukturelle Verbindung mit ihm eingegangen.
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Mit einem alten Plastiklineal lässt sich der aufgepinselte Lack abschaben |
Was hier so einfach klingt und einfach aussieht, ist eine enorm zeitraubende Arbeit, die durchweg Konzentration erfordert.
In diesem Fall saß ich gut zehn Stunden dran (in Worten 10, in Zahlen auch!), bis der ganze blaue Lack zerstörungsfrei runter war.
Zuerst arbeitete ich mich mit dem Plastik-Lineal vor, dann mit feiner Stahlwolle nebst Wasser und Spüli, um den Farbschatten zu entfernen. Ganz hartnäckige Stellen habe ich mit einem stumpfen, kleinen Schlitzschraubenzieher bearbeitet. Im richtigen Winkel angesetzt, splittert der jüngere Lack einfach weg und gibt den darunter liegenden Altlack frei. Man muss ein Gefühl dafür bekommen.
Hier sieht man die Fortschritte des Lackentfernens. Es geht langsam voran, aber es scheint sich zu lohnen. Spaß macht es allerdings nur, wenn man darunter tatsächlich intakten Originallack findet...
Fast ist es geschafft: nur noch einzelne hartnäckige Lackinseln leisten hartnäckig Widerstand. Wolln doch mal sehn...
Hier das vorläufige Resultat. Der Lack auf der rechten Seite ist vollständig entfernt.
Hier ist der vorher/nachher-Effekt sehr gut zu sehen: Die Mühe hat sich gelohnt!
So, was macht nun unsere Eisläuferin am vorderen Ende?
Bei genauerer Analyse zeigt sich, dass wir es hier
mit erschwerten Bedingungen zu tun haben. Zuerst wurde wohl in den 1950er Jahren, als die Maschine noch recht neu war, die Dame aufs Schutzblech appliziert. Dann wurde irgendwann eine Blessur mit der hellen Farbe überpinselt. Später wurde dann ein Wappenschildförmiger Aufkleber über die Beine der deutschen Pin Up-Lady geklebt und schließlich, als auch dieser nicht mehr schön war, alles mit einem blauen Metalliclack übersprüht.
Das alles deckt auch die originale, sehr feine Linierung ab. Hier heißt es besonders vorsichtig zu sein, denn eine Linierung ist sehr empfindlich und kann sehr leicht versehentlich beschädigt oder entfernt werden. Die hier angewandte Technik ähnelt zunächst der Stelle hinten. Mit dem Plastikspatel wird die helle Farbe so gut es geht abgekratzt. Doch den Sprühlack lässt er völlig kalt: Jetzt kommt Verdünnung ins Spiel. Ein vorsichtiger Test zeigt, dass Originallack und Linierung der Verdünnung standhalten – also ran!
Et voilà: Aufkleber und Sprühlack-Reste sind runter. Und – Überraschung! – die Füße der holden Eisläuferin sind auch noch da, nachdem der Aufkleber sie geschützt hatte! Ganz vorsichtig fahre ich fort, um nichts zu beschädigen, was ich erhalten möchte. Es ist jetzt auch klar zu erkennen, dass die Veedol-Dame ein klassisches Wasserabziehbild war: An der Stelle, an der sie der Witterung ausgesetzt war, ist sie einfach spurlos verschwunden – fast wie im wirklichen Leben...
Hier das fertige Resultat. Alles Fremde ist entfernt, bis auf die erhaltenswürdigen Reste des Pin Up-Girls, natürlich. Die helle Pinselfarbe sollte die Fehlstelle links abdecken, die durch einen Sturz o.ä. entstanden sein mag. Da hier kein Rost entstanden ist, können wir davon ausgehen, dass sie gleich nach der Abschürfung appliziert wurde. Der Metallic-Sprühlack sollte wohl die feinen Kratzer in der Mitte überdecken.
Fertig.
Fertig? Nein – "so lassen" reicht nämlich nicht: Die Oberfläche muss noch konserviert werden, damit sie nicht korrodiert. Für die Innenseite habe ich mich für
Owatrol-Öl entschieden: Es hat eine ausgezeichnete Kriechwirkung und stoppt so auch Rost an Stellen, die mechanisch nicht zu erreichen sind, z.B. an den Befestigungen.
Aber: Viel hilft NICHT viel! Mit einem kleinen Pinsel ließ ich das Öl unter die Befestigungen laufen und mit einem Lappen habe ich das Öl auf den Flächen aufgetragen. In zwei bis drei dünnen Schichten, nach jeweiliger Abtrocknung.
Außen habe ich den so vorbereiteten Kotflügel dann gründlich mit einer guten Autopolitur (Lackreiniger) poliert. Hier bitte wieder darauf achten, dass man nicht die Linierung wegpoliert. Immer auf den Lappen schauen, ob er Farbe annimmt – falls ja, dann unbedingt langsam machen!
Stärkere Roststellen habe ich mit feiner Stahlwolle behandelt und danach mit Owatrol-Öl und dem Lappen DÜNN behandelt. Auf gut erhaltenem Lack und der blanken Stelle ist Owatrol sinnlos – es hält dort einfach nicht, sondern braucht einen angerosteten Untergrund um haften zu können!
Den rostfreien, blanken Rest habe ich mit einem Korrosionsschutzwachs behandelt, in diesem Fall Elaskon Aero 40 Special. Es hat sich bewährt.
BITTE BENUTZT KEIN LEINÖL ZUR KONSERVIERUNG!! Leinöl trägt dick auf, kriecht nicht, härtet kaum aus, und bildet eine gummiartige Oberfläche. Die Oberfläche wird nicht griffest, sammelt Dreck und Staub und wird schnell unansehnlich!
Das Schlimmste aber: Leinöl lässt sich nicht mehr entfernen! Wachs hat diese Nachteile nicht – es muss nur ab und zu frisch aufgetragen werden.
Zum Abschluss seht ihr hier noch den gereinigten, konservierten und polierten Kotflügel, hinten wieder gerichtet, wie er im gereinigten Rahmen sitzt. Sieht es nicht schön aus, wie er würdevoll schimmert und von der Lackierkunst der 1950er Jahre erzählt, von aufregenden Fischsilberblaumetellic der Adlerwerke?
Ich finde schon.
Gut, dass er so bleiben darf.