Samstag, 13. Dezember 2014

Collection Baillon: Die wahre Geschichte!

Bild: Artcurial
Nachtrag: Die ganze Hintergrund-Geschichte zur Collection Baillon ist in AUTO BILD KLASSIK 3/2015 nachzulesen, siehe HIER

Geschichte wiederholt sich. Die der Sleeping Beauties, zum Beispiel: Vollkommen unerwartet, so scheint es, hat das Auktionshaus Artcurial eine vollkommen unbekannte Sammlung von über 60 Hochpreis-Klassikern entdeckt und wird sie im Februar auf der Rétromobile in Paris versteigern. Mit dabei: Der Ferrari 250 GT SWB California Spider von Alain Delon, oder auch diverse Talbot-Lago mit Saoutchik-Karosserie, wie zum Beispiel der oben gezeigte T26 Grand Sport Nr. 110109.

Bild: Artcurial

Die Geschichte vom großen, wiederentdeckten Auto-Schatz klingt gut. Zu gut. Und deshalb ist Skepsis angesagt, denn Artcurial will schließlich ein gutes Ergebnis erzielen. Und weil die Patina-Welle gerade wuchtig wogt, ist die Gelegenheit dazu besonders günstig.

Hier geht es zur Artcurial-Pressemitteilung!

Das französische Online-Magazine "L'Automobile Ancienne.com" hat die Geschichte bereits am 09.12.2014 unabhängig aufgerollt und jene Frage gestellt, die uns Patinatoren so sehr unter den Nägeln brennt: War die Collection Baillon wirklich so unbekannt?

Hier die (grobe) Übersetzung und Zusammenfassung des Artikels:

Bild: lautomobileancienne.com

Roger Baillon, Unternehmer mit Karosseriebau-Betrieb, kauft nach dem Zweiten Weltkrieg Militär-Lastwagen der Deutschen und Amerikaner auf. Er karossiert sie um, vermietet sie an Gewerbetreibende rund um Niort in Westfrankreich. Schon 1947 zeigt er auf dem Pariser Salon ein Luxusauto eigenen Entwurfs, "L'Oiseau Bleu", dem allerdings kein Erfolg beschieden ist – im Gegensatz zu "Micheline", ein 1950 vorgestellter LKW mit selbst entworfener Frontlenker-Kabine. Die lässt sich prächtig verkaufen und hält bis in die 1960er Jahre 200 Mitarbeiter beschäftigt. Dann gründet Baillon seine eigene Spedition und erfindet einen Tank-Auflieger zum Transport gefährlicher Chemikalien. Mit einer Chemie-Fabrik in Melle, nicht weit von Niort, schließt er einen Exklusiv-Vertrag, die LKW-Flotte wächst ständig.

Roger Baillon ist erfolgreich und verdient viel Geld. Geld, das er in seinen Traum investiert: Ein Automuseum, das er mit seinem Sohn Jacques eröffnen möchte. Schon in den 50er Jahren beginnt er, ehemals teure Luxus-Autos zum Schrottpreis zu kaufen – Bugatti, Delage, und wie sie alle heißen. Lange vor den Schlumpf-Brüdern, übrigens. Über 200 Fahrzeuge besitzt Baillon in seinen besten Zeiten.


Bild: lautomobileancienne.com

Doch aus dem Museum wird nichts, die Sammlung bleibt weitgehend geheim. Die Spedition geht 1978 pleite, das Geschäft vorher schleichend bergab. Baillon kauft stets gebrauchte LKW, die Chemiefabrik in Melle stellt 1967 aber höhere Ansprüche und verlangt die Modernisierung des Fuhrparks. Baillon hat keine andere Wahl, als seinen größten Kunden mit der Anschaffung einiger neuer Berliet zufrieden zu stellen, ergänzt von ein paar gebrauchten Büssing Anfang der 70er Jahre, sowie weiteren Berliet und Fiat Mitte der 70er Jahre. Doch das Verhältnis der beiden Parteien kühlt ab, und 1977 wird der Speditions-Vertrag nicht mehr verlängert: Baillon kann seine Fahrer nicht mehr bezahlen, im Januar 1978 ist Schluss. 

Seltsame Bewegungen auf Roger Baillons Konten rufen zudem die Steuerfahndung auf den Plan. Der Unternehmer landet wegen Steuerbetrugs vor Gericht und wird zu einer saftigen Geldstrafe verurteilt. Noch bevor er seine Immobilien verflüssigen kann, wird ein Teil der Autosammlung gepfändet und Juni 1979 erste 60 Fahrzeuge für insgesamt 1.285.300 Francs versteigert. Schon diese Fahrzeugliste liest sich märchenhaft:


Bild: lautomobileancienne.com

Die nächste Auktion von nunmehr 32 Fahrzeugen wird erst 1985 stattfinden und weitere 2.557.600 Francs einbringen. 80 Fahrzeuge sind damals noch übrig, und die Lokalpresse fragt sich bereits, wann diese wohl versteigert werden. Heute kennen wir die Antwort: 2015. 

Roger Baillon starb Anfang der 2000er Jahre, die Familie behielt die verbliebenen Fahrzeuge aber weiter. Bis auch sein Sohn Jacques im Oktober 2013 verstarb und die Erben sich an Artcurial wandten. 


Bild: lautomobileancienne.com
War die Sammlung also so geheim? Eigentlich nicht – die Lokalpresse wusste zum Zeitpunkt der zweiten Auktion bereits, dass ein weiterer Teil der Sammlung bei Roger Baillon verbleiben würde, und dass es sich um knapp 80 Fahrzeuge handelte, von denen einige besonders wertvoll wären. Es waren demnach sowohl die Größe der verbliebenen Sammlung, als auch Teile ihrer Zusammenstellung bekannt. 

Außerdem hatten Marken-Clubs die Fährten einiger Wagen aufgenommen, darunter die Amicale Facel-Vega: Ihr war bekannt, dass sich ein Facel-Vega Excellence im Département Deux-Sèvres befinden müsse. Darüber hinaus tauchten 2010 in einem großen Internet-Forum Fotos auf, die jemand über eine Mauer geschossen hatte und dazu erklärte, dass sich "in Deux-Sèvres eine vergessene Sammlung befinde". Die Fotos sorgten schnell für einigen Wind, verschwanden aber schnell wieder. Unbekannt war die Sammlung also nicht – unerreichbar allerdings schon. 


Bild: Artcurial
An die 95 Fahrzeuge sollen noch vorhanden sein, von denen aber nur 60 von Artcurial im Februar verkauft werden – wer auf den Fotos genau hinschaut, erkennt eine Renault Dauphine, einen Renault 12, einen Peugeot 604, einen 204 und andere. Was wird nun aus ihnen? Ein Mitarbeiter von Artcurial teilte auf Anfrage mit, dass die nicht auktionierten Fahrzeuge im Besitz der Erben verbleiben werden. Ein anderer ergänzte darüber hinaus, dass aufgrund ihres schlechten Zustandes nicht alle Fahrzeuge zur Rétromobile transportiert werden können. 

[…]

Übrigens: Die Entdeckung der Sammlung wurde am 5. Dezember 2014 publik gemacht, die Auktion wird am 6. Februar 2015 stattfinden. Artcurial ist mit einem internationalen Medien-Echo ein enormer Publicity-Coup gelungen. Vor der Versteigerung werden die Autos mehr als jemals zuvor beworben, was besonders Spekulanten anlocken wird – die Stammkunden großer Automobil-Auktionen. Wer kauft was, und zu welchem Preis? Im Februar kennen wir die Antwort.



Soweit die Ausführungen von l'automobileancienne.com .

Liebhabern hervorragender Druckwaren ist der oben gezeigte 1949er Talbot-Lago T26 Grand Sport mit der Chassisnummer 110109 übrigens schon seit 2012 bekannt: Der renommierte Automobilhistoriker Peter Larsen hatte in seinem zweibändigen Werk über den Grand Sport die Geschichte des Wagens erzählt (S. 356–366) und auch Bilder vom aktuellen Zustand gezeigt, die er von Jacques Baillon erhalten hatte; dieser gab in der Korrespondenz mit dem Autor als Standort Bordeaux an und erklärte, er habe den Wagen um 1980 im Osten Frankreichs gekauft. Zitat: "It was in very bad condition and had been rear ended, or had an accident to the rear. The car is still not restored. The car is stored "safe" in a shed."

Über die Jahre hätten immer wieder Sammler und Händler versucht, Baillon den Talbot-Lago abzukaufen, schreibt Larsen weiter. Im Januar 2012 sei 110109 von einem anonymen Sammler gekauft worden, der einen kompletten Neuaufbau anstrebe. Ob es sich bei dem anonymen Sammler vielleicht schon um Artcurial handelte? Vielleicht. Vielleicht hat Monsieur Baillon aber auch zum Schutz seiner Autos ein wenig geflunkert. Schöne Geschichten kann das bekanntlich noch schöner machen – besonders, wenn sie sich wiederholen. 

Mittwoch, 10. Dezember 2014

Opel Olympia mit Zeitspuren: Wie lange hält er noch?

Hanns-Lüdecke Rodewalds Opel Olympia CarAVan ist eine Provokation auf Rädern – das finden zumindest Polizei und Ordnungsamt, und traktieren den Oldtimerfan unter anderem mit Zwangsstilllegungen: "Autowrack kraft Vermutung" schreiben sie dann auf's Knöllchen, und dabei ist der Opel nicht nur voll fahrbereit, sondern besitzt auch einen gültigen TÜV-Stempel. 

Rodewald ist Professor für Fahrzeugtechnik. Er will herausfinden, wie lange ein Auto durchhält, wenn immer nur das Nötigste repariert wird. In diesem Film erzählt er von seinen Erlebnissen mit dem Opel und geht auch auf die Frage ein, was eigentlich ein "erhaltenswerter Zustand" ist...


Tipp: In Auto Bild Klassik 2/2012 erschien ein Interview mit vielen Detailfotos vom Auto – Titel: „Der Schimmelreiter“ !